Nach der Landtagswahl in NRW bleibt zunächst offen, wer Ministerpräsident wird: Hendrik Wüst (CDU) oder Thomas Kutschaty (SPD)? Zwar kann die CDU ihre Position als stärkste Kraft ausbauen, doch kommt ihr der Koalitionspartner FDP abhanden. Abgesehen von der eher theoretischen Möglichkeit einer großen Koalition mit der SPD kann Wüst nur mit den Grünen weiterregieren. Auf der anderen Seite ist für die SPD rein rechnerisch eine Ampel-Koalition mit den Grünen und der FDP möglich. Für eine Regierung nur aus SPD und Grünen zeichnet sich keine Mehrheit ab.
"Für den Kanzler gibt es kein Entrinnen"
Süddeutsche Zeitung: Für den Kanzler gibt es kein Entrinnen: Das Ergebnis der Wahl in Nordrhein-Westfalen steht auch für eine erste Bilanz der Arbeit von Olaf Scholz. Nicht nur ist der Umgang der Bundesregierung mit dem Krieg in der Ukraine als politisches Thema in diesen Wochen dominant. Scholz selbst hat sich im Landtagswahlkampf stark engagiert. Und der SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty hat klar auf den Kanzler gesetzt. Nun ist die Botschaft eindeutiger als erwartet - und nicht schön für Olaf Scholz.
"Abgestraft wurden Linkspartei und AfD"
Münchner Merkur: So bleischwer lag der Schatten von Putins Überfall auf die Ukraine über dem NRW-Wahlkampf, dass man den dortigen Urnengang gewiss als Kriegswahl bezeichnen darf, mit klarem Ergebnis: Abgestraft wurden mit Linkspartei und AfD Kräfte, die beim Wähler im Verdacht heimlicher Kumpanei mit dem Verbrecher im Kreml stehen. Ebenso erfolglos blieb der Versuch von SPD-Kanzler Scholz, mit dem Reden über einen möglichen Atomkrieg nach den Stimmen der Ängstlichen zu fischen. Den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck katapultiert dies in die Rolle des Berliner Schattenkanzlers: Er schafft, woran der Kanzler scheitert: den Bürgern seine Politik zu erklären, sie mitzunehmen auf eine Reise, deren Ziel fern ist und die den Menschen noch viele Opfer abverlangen wird. Zu Recht wird die SPD den Absturz auf das historisch schlechteste Ergebnis in ihrem Kernland dem Kanzler anlasten; weil zeitgleich auch in der schwer verprügelten FDP der Zorn auf Scholz und die Ampel wächst, ist deren Krise programmiert.
"Quittung für eine verkorkste, bis desaströse Schulpolitik"
Mittelbayerische Zeitung: Die langen Gesichter bei der FDP wegen des schwachen Abschneidens sind wiederum auch die Quittung für eine verkorkste, bis desaströse Schulpolitik im bevölkerungsreichsten Bundesland - und für enttäuschte Hoffnungen in der Berliner Ampel. Der einstige starke Mann der NRW-FDP und vor fünf Jahren dort noch die Wahlkampflokomotive, Christian Lindnder, ist inzwischen zum Bundesfinanzminister mit dem größten Schuldentopf geworden. Eilig zusammen gestrickte Hilfspakete für Bürger und Wirtschaft, die allesamt unter der galoppierenden Teuerung leiden, lassen allerdings auch Zweifel an der Solidität seiner Haushaltspolitik aufkommen. Und ob die Ampel im nächsten Jahr die Schuldenbremse tatsächlich wieder einhalten kann, ist äußerst fraglich. In Düsseldorf wie in Berlin steht die FDP inzwischen ziemlich gerupft da.
"Schallende Ohrfeige für Bundeskanzler Olaf Scholz"
Weser-Kurier: Das schlechteste Wahlergebnis für die SPD in der Geschichte Nordrhein-Westfalens ist in erster Linie eine schallende Ohrfeige für Bundeskanzler Olaf Scholz. Im Gegensatz zu den vorherigen Landtagswahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein ist das Ergebnis in Düsseldorf nicht landespolitisch motiviert, sondern in erster Linie der Enttäuschung der Wähler über den zögerlichen und zaudernden Kurs des Bundeskanzlers in der Ukraine-Frage zuzuschreiben. Das Resultat zeugt mehr von der Schwäche des Kanzlers als von der Stärke des CDU-Ministerpräsidenten.
"Die Grünen sind die Ministerpräsidenten-Macher"
Neue Westfälische: Die tatsächlich wohl unbestreitbare Hauptbotschaft des Wahlabends lautet: Die Grünen sind die Ministerpräsidenten-Macher. Ähnlich wie in Schleswig-Holstein vor einer Woche kann ein einziger Koalitionspartner zur Bildung einer Regierung reichen. Anders als vor einer Woche allerdings gibt es in Nordrhein-Westfalen keinen so eindeutigen Wahlgewinner. Gegen die Grünen wird es keinen neuen Regierungschef in der Düsseldorfer Staatskanzlei geben. Eine Alternative wie in Schleswig-Holstein gibt es mit der FDP nicht. Für die SPD wird die Lage in Bund und Land jetzt sehr schwierig. Ihr ist es weder in NRW mit Thomas Kutschaty noch über die Bundespolitik und ihren Bundeskanzler Olaf Scholz gelungen, den Wert ihrer politischen Ziele ausreichend deutlich zu machen und zu profilieren. Dies verstellt ihr nun die Chance, aus eigener Stärke mit aktiven Initiativen für Rot-Grün in Düsseldorf zu werben. Der Weg aus diesem Tal wird nicht einfach. Und die Zeit bis zu den nächsten Landtagswahlen in Niedersachsen im Oktober ist kurz.
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"Olaf Scholz müsste sich nicht verstecken"
Berliner Zeitung: Wüst hat das CDU-Ergebnis von 2017 übertroffen und ist damit klar Wahlsieger. Das kann auch Friedrich Merz als Erfolg verbuchen. Doch sollte die SPD, trotz Verlusten für Kutschaty, am Ende Rot-Grün erreichen, Olaf Scholz müsste sich nicht verstecken. Es wird eng. Klar sind zwei Dinge: Die Grünen werden für ihre Koalitionsentscheidung fürstlich belohnt. Und der Ukraine-Krieg bleibt das bestimmende Thema auf allen politischen Ebenen.
"So hart kann Politik sein"
Westfälische Nachrichten: Der Wähler hat in NRW entschieden - und den Parteien trotz eindeutiger Ergebnisse keine leichte Aufgabe übertragen. Die CDU deutlich vor der SPD, die Grünen erwartet stark auf Platz drei, die FDP abgestürzt. Klar ist damit nur: Schwarz-Gelb ist klar abgewählt. Die CDU hat ein Top-Ergebnis hingelegt. 35 Prozent sind eine Ansage. Die politische Zukunft von Ministerpräsident Hendrik Wüst ist damit jedoch nicht gesichert. Ob seine Partei eine neue Mehrheit zustande bekommt, ist ungewiss. So hart kann Politik sein. Die SPD ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Der Blick auf die Zahlen lässt Rot-Grün kaum noch möglich erscheinen. Eine Ampel hätte eine satte Mehrheit - sofern die FDP nicht doch noch den Sprung in den Landtag verpasst. Die Liberalen sind die großen Verlierer dieser Wahl. Sie haben ihr Ergebnis aus 2017 mehr als halbiert. Die gerupfte Partei kassiert damit die Quittung für einen konturlosen Spitzenkandidaten, eine inhaltliche Leere und ein von ihr verantwortetes Schulministerium, das zu oft jeder Beschreibung spottete.
"Allen Umfragen zum Trotz"
Neue Osnabrücker Zeitung: An diesem Ergebnis lässt sich aus SPD-Sicht nichts schönreden: Die beiden klaren, strahlenden Sieger des Wahltages in NRW heißen CDU und Grüne. Nachdem die CDU in Schleswig-Holstein vorlegte, haben sich die Parteikollegen in NRW allen Umfragen zum Trotz klar von der SPD abgesetzt. Das ist nicht nur bitter für die Landes-SPD; auch Bundeskanzler Olaf Scholz gilt als angezählt. Der erneute Sieg der CDU stärkt Kritiker inner- und außerhalb der Regierungskoalition. Die Wahl in NRW, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, wird nicht umsonst als kleine Bundestagswahl bezeichnet.
"Mehr Führung wagen"
Augsburger Allgemeine: Das Motto des Kanzlers für die nächsten Monate und über die nächste Landtagswahl in Niedersachsen hinaus muss lauten: mehr Führung wagen. Während die Grünen in NRW Schub von den beiden stärksten Ampel-Ministern, Robert Habeck und Annalena Baerbock, bekommen haben, kann die NRW-FDP das nicht behaupten. Sie musste um den Wiedereinzug in den Düsseldorfer Landtag lange bangen. „Miteinander“ ist ein viel gebrauchtes Scholz-Wort. Das gilt nach der NRW-Wahl mehr denn je.
"Eine neue, unverbrauchte Option"
Kölner Stadt-Anzeiger: Für das Land wäre Schwarz-Grün eine neue, unverbrauchte Option, möglicherweise ein neues Erfolgsmodell. Gemeinsame Basis könnte das Bekenntnis beider Parteien für einen frühzeitigen Ausstieg aus der Kohle 2030 sein. Auch bei anderen Themen wie Schule und Bildung, Gesundheit und Sicherheit, ÖPNV und Bürokratieabbau gibt es genügend Schnittmengen. Scheitern könnten die Verhandlungen, wenn die Grünen den Bogen überspannen und die CDU an den Rand der Selbstverleugnung treiben.
"Ein Sieg der Demokratie"
Handelsblatt: Der große Wahlsieger sind die Grünen. Die Ökopartei verdreifacht ihr Ergebnis. Sie profitiert in den Ländern von der starken Regierungsperformance in Berlin und mausert sich zur dritten Volkspartei. Und noch eines zeigt die NRW-Wahl: Die Zersplitterung des Parteiensystems kommt an ein Ende. Die Linke ist nahezu tot, und nachdem die AfD in Schleswig-Holstein rausgeflogen war, kam sie in NRW so gerade noch in den Landtag. Die NRW-Wahl ist deshalb trotz so mancher Enttäuschung doch auch eines: ein Sieg der Demokratie.