Ausgang der Wahl in Schleswig-Holstein

AfD verpasst Wiedereinzug: Beginnt jetzt der Abwärtstrend für die Partei?

Die AfD zieht in Schleswig-Holstein nicht erneut ins Parlament ein. Experten sehen einen Trendbeginn. Hat „Jamaika“ weiter eine Chance und was heißt das für NRW?

Ein Besucher der Abschlussveranstaltung zum Landtagswahlkampf der AfD hört den Reden der Spitzenkandidaten zu. | © Roland Weihrauch

Ingo Kalischek
09.05.2022 | 09.05.2022, 22:20

Düsseldorf/Kiel. Die Politik in NRW schaut mit besonderem Interesse auf den Wahlausgang in Schleswig-Holstein und dessen Folgen. Schon in fünf Tagen wird auch am Rhein gewählt. Die Situation im hohen Norden liefert da wichtige Erkenntnisse.

AfD scheitert

Die AfD hat den Wiedereinzug ins Parlament in Schleswig-Holstein verpasst – Premiere. In NRW hat die Partei hingegen bessere Chancen. Umfragen sehen sie am Rhein bei sechs bis acht Prozent. Politikwissenschaftler Stefan Marschall von der Universität Düsseldorf glaubt dennoch, dass die Wahlniederlage der AfD im Norden „Auswirkungen“ auf das Wahlverhalten der Bürgerinnen und Bürger in NRW haben kann. Der Partei fehle ein Kernthema, so wie es die Euro- und Flüchtlingskrise gewesen seien. Marschall glaubt, dass eine gewisse „Wende“ in der Entwicklung der AfD zu erkennen sei. Der verpasste Wiedereinzug sei „bemerkenswert“. Auch Politikwissenschaftler Torsten Oppelland erwartet „insgesamt“ einen leichten überregionalen Abwärtstrend der Partei.

Newsletter
Wirtschaft
Wöchentlich die neuesten Wirtschaftsthemen und Entwicklungen aus OWL.
Viele Bündnisse denkbar

Als bemerkenswert wurde auch die Aussage von Wahlsieger Daniel Günther (CDU) gewertet, der am Sonntagabend in den tagesthemen sagte: „Mein Ziel war immer, Jamaika fortzusetzen“. Doch künftig braucht die CDU im Norden gar nicht mehr Grüne und FDP für eine Regierungsbildung, sondern ihr reicht ein Partner. Könnte es in Schleswig-Holstein dennoch zu einer Neuauflage der Jamaika-Koalition kommen? Das hält Politikwissenschaftler Oppelland für „unwahrscheinlich“. „Ich glaube nicht, dass Günther um eine Entscheidung herumkommt.“ Sprich: Grüne oder FDP. Marschall sieht das Modell der Jamaika-Koalition durch den Wahlausgang in Schleswig-Holstein „relativiert“. Juniorpartner FDP sei es nicht gelungen, eigene Erfolge ausreichend nach außen sichtbar zu machen.

Folgen für NRW

In NRW sei es für die FDP von der Logik her nach der Wahl am Sonntag nahe liegender, eine Ampel-Koalition einzugehen, zumal es diese Konstellation bereits im Bund gibt, so Marschall. Die Jamaika-Option am Rhein sei nach Schleswig-Holstein für die FDP nun ein Stück weiter weg. Umfragen halten in NRW seit Wochen mehrere Bündnisse für möglich: Neben einer Ampel und Jamaika könnte es auch knapp für CDU und Grüne sowie für SPD und Grüne reichen. Alle Parteien halten sich mögliche Bündnis-Optionen offen. Lediglich eine Große Koalition aus SPD und CDU gilt in NRW für nahezu ausgeschlossen. Die FDP betont seit Monaten, gern weiter mit der CDU regieren zu wollen, doch schwarz-gelb ist in Umfragen bislang weit von einer Mehrheit entfernt. Und so stellt FDP-Spitzenkandidat und Vize-Regierungschef Joachim Stamp seine Partei gegenüber dieser Zeitung als eine Art Korrektiv in einer Ampel-Koalition dar: „Es geht darum, ob das Land mit der FDP weiter aus der Mitte regiert wird oder ob es einen Rückfall in grüne Ideologie gibt.“

In NRW dürfte am Sonntag für die Bündnisfrage nicht zuletzt wichtig werden, wie groß der Vorsprung des Wahlsiegers auf den Zweitplatzierten sein wird. SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty kündigte bereits an, notfalls auch als Zweitplatzierter eine Regierung bilden zu wollen. Doch das dürfte den Wählern schwer zu vermitteln sein, je größer der Rückstand auf die CDU ausfallen sollte.

Grüne Königsmacher

Es sind somit vor allem die Grünen, denen in NRW die Rolle des „Königsmachers“ zufallen dürfte. Sie werden wahrscheinlich auswählen dürfen zwischen einem Bündnis mit CDU (und FDP) sowie mit der SPD (und FDP). Dem links-orientierten Grünen-Landesverband werden eher Schnittmengen mit der SPD nachgesagt. Auch die Befragten der Umfrage „NRW-Check“ präferieren klar ein Bündnis von SPD und Grünen (24 Prozent), während ein Bündnis aus CDU und Grünem nur 9 Prozent am liebsten wäre. Doch auch Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur schließt bislang keine Variante aus.