Russland-Ukraine-Konflikt

Putin erkennt Separatisten-Gebiete an: Was nun folgen könnte

Seit Tagen gibt es in der Ostukraine immer mehr Gefechte zwischen von Moskau unterstützten Separatisten und Regierungstruppen. Nun hat Russlands Präsident Putin eine umstrittene Entscheidung getroffen - und rechnet mit Sanktionen.

Wladimir Putin im Kreml in Moskau. | © picture alliance / ASSOCIATED PRESS

21.02.2022 | 21.02.2022, 22:59

Brüssel. Der russische Präsident Wladimir Putin hat die beiden Regionen Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine als unabhängige „Volksrepubliken“ anerkannt. Der Kremlchef unterzeichnete am Montag nach einem Antrag der Separatisten ein entsprechendes Dekret, wie das Staatsfernsehen zeigte. Seit 2014 kämpfen vom Westen ausgerüstete ukrainische Regierungstruppen gegen von Russland unterstützte Separatisten in der Donbass-Region nahe der russischen Grenze. UN-Schätzungen zufolge wurden seitdem mehr als 14.000 Menschen getötet.

Die Europäische Union will deshalb nach Angaben des Außenbeauftragten Josep Borrell ihre Sanktionen "auf den Tisch legen". Die mit den USA und anderen westlichen Partnern vorbereiteten Strafmaßnahmen könnten nach Brüsseler Angaben schnell ausgelöst werden.

Die EU sieht in der Anerkennung der von pro-russischen Separatisten kontrollierten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk einen Bruch internationalen Rechts und der Minsker Abkommen. Die Europäer fürchten eine russische "Annexion" der Gebiete, wie der EU-Außenbeauftragte Borrell nach Beratungen der Außenminister in Brüssel sagte. Das wäre nach der Annexion der Krim 2014 die zweite Verletzung der Gebietshoheit der Ukraine. Für Deutschland hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit zuvor klargestellt, dass die Sanktionen in solch einem Fall "scharfgestellt" würden. "Wir fordern Russland auf, die Entscheidung rückgängig zu machen, und auf den Weg der diplomatischen und politischen Konfliktlösung" zurückzukehren, erklärte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Sie warnte Russland "ausdrücklich vor weiterer militärischer Eskalation".

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Auch die USA haben Sanktionen gegen Russland angekündigt. US-Präsident Joe Biden werde in Kürze eine entsprechende Anordnung erlassen, teilte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki mit.

Welche Sanktionen könnten nun kommen?

Die EU hat weitreichende Wirtschafts- und Finanzsanktionen vorbereitet, die nach Angaben von Borrell "je nach Niveau der Aggression abgestuft umgesetzt" werden können. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zufolge sollen sie "alle Güter betreffen, die Russland dringend braucht, um seine Wirtschaft zu modernisieren und zu diversifizieren". Nach Angaben von EU-Diplomaten steht die russische Kohle-, Öl- und Gasbranche im Fokus. Nach Bekanntgabe der Entscheidung Russlands erklärten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel am Montagabend, dass die Strafmaßnahmen diejenigen treffen sollen, die an der Handlung beteiligt seien.

Die Formulierung in der Erklärung vom Montagabend deutet darauf hin, dass zunächst insbesondere Einzelpersonen ins Visier genommen werden sollen. Dort heißt es wörtlich mit Blick auf die Anerkennug der Separatistengebiete: „Die Union wird Sanktionen gegen diejenigen verhängen, die an dieser rechtswidrigen Handlung beteiligt sind.“

Laut Psaki sollen die Maßnahmen der USA unter anderem Investitionen oder Handel von US-Personen mit Blick auf Donezk und Luhansk treffen. „Wir beraten uns weiterhin eng mit unseren Verbündeten und Partnern, einschließlich der Ukraine, über die nächsten Schritte und über Russlands anhaltende Eskalation an der Grenze zur Ukraine“, so das Weiße Haus.

Was sieht das Paket noch vor?

Von der Leyen sagte zuvor in der ARD, mit den Sanktionen würde "Russland praktisch abgeschnitten (...) von internationalen Finanzmärkten". Ob dies auch den Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem Swift umfasst, ließ von der Leyen offen. Experten warnen, dass ein solcher Schritt auch europäische Banken und den Handel mit Russland insgesamt treffen könnte. Als möglich gilt, dass nur ein Teil der russischen Zahlungsströme über Swift gesperrt wird.

Inwiefern gehört Nord Stream 2 zu den Sanktionen?

US-Präsident Joe Biden hat mehrfach betont, im Falle eines Angriffs auf die Ukraine werde die Erdgas-Pipeline von Russland nach Ostdeutschland nicht in Betrieb gehen. Die USA verhängten bereits in der Vergangenheit Strafmaßnahmen gegen beteiligte Firmen oder Einzelpersonen. In der EU heißt es, dass vorerst ohnehin kein russisches Gas durch die Pipeline fließen kann. Von der Leyen verweist dabei auf die ausstehende Zertifizierung der Gasröhre durch die Bundesnetzagentur sowie im Anschluss durch die EU-Kommission. Beides dürfte sich in die Länge ziehen.

Was würden die neuen Russland-Sanktionen für Deutschland bedeuten?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) räumte im Handelsblatt ein, dass die Sanktionen auch die deutsche Wirtschaft "hart treffen" könnten. In Brüssel gilt als wahrscheinlich, dass die Energiepreise weiter nach oben schnellen - etwa wenn Russland als Vergeltung Gaslieferungen zurückhält. In der EU sind nach Medienberichten Ausgleichszahlungen für Branchen oder Länder im Gespräch, die besonders hart getroffen würden.

Ist das Vorgehen der EU neu?

Nein. Seit der Annexion der Krim 2014 hat die EU mehrfach Sanktionen gegen Russland verhängt, von denen sich Präsident Putin aber nicht beeindrucken ließ. Derzeit gelten etwa Einreiseverbote und Kontosperrungen gegen 185 Russen und Ukrainer sowie 48 Unternehmen und Organisationen. Wirtschaftssanktionen richten sich zudem gegen russische Staatsbanken sowie die Öl- und Gasindustrie. Auch ein Waffenembargo gehört dazu.

Wie schnell könnte ein Sanktionsbeschluss fallen?

Erforderlich ist ein einstimmiger Beschluss der EU-Staaten. Da der Konflikt mit Russland als Chefsache gilt, dürfte dafür ein Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs einberufen werden. Nach Angaben von Diplomaten wird erwartet, dass die EU-Kommission und der Auswärtige Dienst bereits an diesem Dienstag den ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten in Brüssel einen konkreten Sanktionsvorschlag unterbreiten. Dieser müsste dann noch abschließend abgestimmt und vom Ministerrat beschlossen werden. Möglich ist auch ein Beschluss im schriftlichen Verfahren.

Was bedeutet das für Donezk und Luhansk?

Die USA haben Sanktionen gegen die beiden Gebiete angekündigt. Wie das Weiße Haus am Montag mitteilte, wird US-Präsident Joe Biden per Exekutivorder Investitionen in, Handel mit und die Finanzierung der sogenannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk durch US-Bürger unter Strafe stellen. Sanktionen könnten auch gegen all jene verhängt werden, "die in diesen Gebieten der Ukraine operieren" wollten. Die Maßnahmen sollen demnach neue Investitionen, Handel und Finanzierung durch US-Personen in Donezk und Luhansk verbieten. „Wir haben mit einem solchen Schritt Russlands gerechnet und sind bereit, sofort zu reagieren“, erklärte Psaki. Das Weiße Haus betonte, dass diese Maßnahmen sich von jenen Sanktionen unterscheiden, die im Falle eines russischen Einmarsches in die Ukraine mit den Verbündeten vereinbart seien.(AFP/dpa)