Die Pläne der Ampel-Partner

Tempolimit, Mindestlohn, Steuer: Das steht im Sondierungspapier

Nach einer Woche Sondierungen haben SPD, Grüne und Liberale ein zwölfseitiges Papier vorgelegt, das schon die Richtung einer neuen Regierung vorgibt.

SPD, Grüne und FDP haben sich auf gemeinsame Grundlagen verständigt, um erstmals auf Bundesebene über die Bildung einer Ampel-Koalition zu verhandeln. | © picture alliance/dpa

15.10.2021 | 15.10.2021, 20:21

Berlin (dpa) - Drei Wochen nach der Bundestagswahl gehen SPD, Grüne und FDP den nächsten Schritt zur Bildung einer Ampel-Regierung. Die Unterhändler der Parteien streben Koalitionsgespräche an.

„Wir sind davon überzeugt, dass wir einen ambitionierten und tragfähigen Koalitionsvertrag schließen können", heißt es in einem gemeinsamen Papier der drei Parteien zu den Ergebnissen der Sondierungen, das am Freitag veröffentlicht wurde. Der Start von Koalitionsverhandlungen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Regierung. Auf die folgenden Punkte habe sich die Parteien geeinigt.

Tempolimit

SPD, Grüne und FDP planen kein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Grünen-Chef Robert Habeck sagte, es sei in dem gemeinsamen Papier darum gegangen, Klarheit zu schaffen. „Das Tempolimit konnten wir nicht durchsetzen. An anderen Stellen sind wir sehr zufrieden." Die FDP ist gegen ein generelles Tempolimit. Bei der Elektromobilität soll die Ladeinfrastruktur massiv beschleunigt werden, wie es im Ampel-Sondierungspapier heißt.

Kohleausstieg
Die Ampel-Partner streben einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleverstromung an. "Idealerweise gelingt das schon bis 2030", heißt es. Noch im Jahr 2022 soll es ein Klimaschutz-Sofortprogramm geben. Ziel sei es, Deutschland auf den Pfad zu bringen, die Pariser Klimaziele einzuhalten und die Erderwärmung zu begrenzen. Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für Solarenergie genutzt werden. Für Windkraft an Land sollen zwei Prozent der Fläche ausgewiesen werden. Die Windkraft auf See soll erheblich gesteigert werden.

Mindestlohn und Sozialstaat
Der gesetzliche Mindestlohn soll im ersten Jahr der neuen Regierung auf zwölf Euro pro Stunde angehoben werden. "Im Anschluss daran wird die Mindestlohnkommission über die etwaigen weiteren Erhöhungsschritte befinden." Die Arbeitswelt soll für Arbeitgeber und Arbeitnehmer flexibler werden: längere Tageshöchstarbeitszeiten sollen ebenso erlaubt werden, wie eine flexiblere Gestaltung von Arbeitszeiten. Zudem soll die Grenze für Midi-Jobs auf 1.600 Euro erhöht werden.

Wählen ab 16
Das Wahlalter soll gesenkt werden. Bei der Wahl des Bundestags und des Europäischen Parlaments soll künftig ab 16 Jahren abgestimmt werden können, vereinbaren SPD, Grüne und FDP.

Digitalisierung
SPD, Grüne und FDP planen die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung neu aufzusetzen. "Kompetenzen in der Bundesregierung werden neu geordnet und gebündelt."

Investitionen
"Wir werden im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse die nötigen Zukunftsinvestitionen gewährleisten, insbesondere in Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und Forschung sowie die Infrastruktur", heißt es. Das laufende Jahrzehnt solle das "Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen" werden - privat und öffentlich.

Steuern und Finanzen

SPD, Grüne und FDP planen in einer möglichen gemeinsamen Bundesregierung keine Steuer-Entlastungen für Geringverdiener. Solche Entlastungsversprechen seien nach den Sondierungsgesprächen nicht vorgesehen, sagte Grünen-Chef Robert Habeck. „Das ist halt der Preis, den wir zahlen, weil die FDP sich an der Stelle durchgesetzt hat." Solche Entlastungen wären nur zu stemmen, wenn man die Steuern für Spitzenverdiener anheben würde - und das hätten die Liberalen abgelehnt. Die Vermögensteuer ist vom Tisch. Einkommen-, Unternehmens- und Mehrwertsteuer sollen zudem nicht erhöht werden. Dafür aber soll der Haushalt durchkämmt werden, ob sich "überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben" finden. Die Kommunen können hoffen: Es soll noch einmal gecheckt werden, ob sie von ihren Altschulden befreit werden. Die Konjunktur solle einen Schub bekommen durch "Superabschreibungen" auf Investitionen in den Klimaschutz und die Digitalisierung.

Rente und Hartz IV
Das Mindestrentenniveau bleibt bei 48 Prozent - Punkt für SPD und Grüne. Zur Stabilisierung der Rentenfinanzen soll es "eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung" geben, wie es im Papier heißt - Punkt für die Liberalen. Um einen Kapitalstock zu eröffnen soll der Bund schon 2022 zehn Milliarden Euro überweisen. Die SPD wird auch endlich Hartz IV abschütteln können und die Grundsicherung in "Bürgergeld" umbenennen.

Migration

"Deutschland ist ein modernes Einwanderungsland", heißt es. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz solle praktikabler werden. "Wir wollen außerdem ein Punktesystem als zweite Säule zur Gewinnung von qualifizierten Fachkräften einführen." "Die Asylverfahren, die Verfahren zur Familienzusammenführung und die Rückführungen wollen wir beschleunigen und legale Wege schaffen", heißt es. "Wir wollen die Verfahren zur Flucht-Migration ordnen und die ausbeuterischen Verhältnisse auf den Fluchtwegen bekämpfen."

Kinderrechte und BAföG
"Wir wollen starke Kinderrechte im Grundgesetz verankern". Die bisherige Unterstützung für Kinder und Familien soll in einem "Kindergrundsicherungsmodell" gebündelt werden - damit sollen die Hilfen schneller und unbürokratisch ankommen. Der Bund wolle Ländern und Kommunen zudem dauerhaft bei der Digitalisierung des Bildungssystems helfen. Das BAföG für Studierende soll künftig unabhängig von den Eltern fließen.

Bauen und Wohnen
Pro Jahr sollen 400.000 neue Wohnungen entstehen, davon 100.000 öffentlich gefördert. Der Klimaschutz solle beim Neubau gestärkt, die energetische Sanierung im Bestand beschleunigt werden. Die Bauindustrie soll zudem unterstützt werden, mehr Kapazitäten zu schaffen. Neue Regelungen, die Mieten deckeln, sind nicht geplant. Die bisherigen sollen überprüft und verlängert werden. Das heißt, auf diesem Feld ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Immobilien dürfen nach den Plänen der künftigen Ampel-Koalitionären künftig nicht mehr bar bezahlt werden. Käufer müssen demnächst nachweisen, dass sie ihr Geld zum Erwerb von Immobilien versteuert haben.

Forschung

"Wir wollen den Anteil der gesamtstaatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3,5 Prozent des BIP erhöhen", heißt es. "Wir brauchen mehr Ausgründungen aus Forschungsinstituten."

Außenpolitik

Die Ampel-Partner bezeichnen das transatlantische Bündnis als zentralen Pfeiler und die Nato als unverzichtbareren Teil der Sicherheit Deutschlands. "Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson", heißt es außerdem.