Linnemann: "Chance auf Jamaika besteht noch, wenn auch nur eine geringe"

Herr Linnemann, in der Talkrunde von Sandra Maischberger sagten Sie, dass Sie keinen Bock auf Opposition haben. Wie lässt sich das denn noch verhindern?Carsten Linnemann: Der Regierungsauftrag liegt bei Olaf Scholz und der SPD. Die Union hat die Wahl verloren. Trotzdem sind wir weiter gesprächsbereit und werden am Wochenende zunächst mit der FDP zusammenkommen. Die Chance auf ein Jamaika-Bündnis besteht noch – wenn auch nur eine geringe. Könnte die Union denn überhaupt mit den Grünen auf Bundesebene koalieren?Linnemann: Ja, da sehe ich Schnittmengen. Natürlich ist es in einer Jamaika-Koalition zwischen Union und FDP einfacher und in einer Ampel-Koalition zwischen SPD und Grünen, aber bei allen denkbaren Bündnissen gibt es Für und Wider. Es muss also immer abgewogen werden. Deshalb ist für die Verhandlungen entscheidend, dass sich jeder Partner dazu bereit zeigt, sich auf die anderen zuzubewegen. Natürlich wird dabei jede Partei versuchen, an ihren Grundüberzeugungen festzuhalten. Das gilt auch für die Union. Grundeinstellungen wie das Prinzip Fordern und Fördern, eine Null-Toleranz-Strategie im Bereich der inneren Sicherheit und die Absage an immer neue Schulden gehören zu unserem Profil. Sind Sie bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen, wenn es zu einem Jamaika-Bündnis kommen sollte?Linnemann: Ich übernehme bereits Verantwortung und habe immer gesagt, dass ich auch noch mehr übernehmen kann. Im Moment ist aber nicht die Debatte über Posten wichtig, sondern über die Frage, wie die Union aus dieser existenziellen Krise wieder herauskommen kann. Das Wahlergebnis ist ein Schlag in die Magengrube. Wir haben junge und alte Wähler verloren, Wahlkreise und Abgeordnete und flächendeckend Wähler im Osten. Das ist ein Desaster. Deshalb brauchen wir jetzt rasch eine ehrliche Wahlanalyse, die bis 2013 zurückreichen sollte. Warum ist es zu diesem Desaster gekommen? Falscher Kanzlerkandidat, falsche Themen, falscher Wahlkampf?Linnemann: Es gibt nicht den einen Fehler, sondern ein Sammelsurium. Im Kern stimme ich Wolfgang Schäuble zu, dass Parteivorsitz und Kanzleramt zusammengehören. Angela Merkel hätte also entweder den Parteivorsitz behalten oder die Kanzlerschaft zur Verfügung stellen müssen. Ich habe das übrigens damals selbst falsch eingeschätzt. Zudem haben wir es im Wahlkampf nicht geschafft zu zeigen, dass Armin Laschets Stärke seine Teamfähigkeit ist. Seine Erfolge als Ministerpräsident in NRW mit starken Köpfen konnten wir nicht auf Bundesebene übertragen. Auch die Vorstellung seines Zukunftsteams kam viel zu spät und ohne ein Gesamtkonzept. Was auch zu Buche schlägt: Die CDU hat in der Großen Koalition erheblich an Profil verloren, weil sich die beiden großen Parteien in einigen Punkten zu sehr angenähert haben. Die Wähler wissen nicht mehr, wofür die CDU steht. Was muss sich ändern, damit Wähler wieder wissen, wofür die CDU steht?Linnemann: Wir müssen wieder Mitglieder- und Programmpartei werden, indem wir die Basis einbinden und Debatten führen. Übrigens begann der Fehler, die Parteibasis zu wenig einzubinden, mit der Abschaffung der Wehrpflicht 2011. In der Sache mag diese Entscheidung richtig gewesen sein, aber eine vertiefte Debatte darüber hätte nicht nur die Bindekräfte in unserer Partei gestärkt, sondern vielleicht auch zu alternativen Ideen geführt. Dabei denke ich vor allem an die Einführung eines Gesellschaftsjahres, für das ich mich seit Jahren einsetze. Spätestens zum 26. Oktober wird Armin Laschet sein Amt als NRW-Ministerpräsident abgeben. Die Nachfolge will er selbst regeln. Haben Sie einen Vorschlag?Linnemann: Ich kann nur sagen, dass ich als Bundesvorsitzender der Mittelstandsunion seit langem sehr gut mit Hendrik Wüst zusammenarbeite, der die Mittelstandsunion in NRW anführt. Ihm traue ich das Amt als Ministerpräsident ausdrücklich zu.

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