Umstrittener Gesundheitspass: Franzosen stürmen in die Impfzentren

Paris. Seit dem vergangenen Wochenende befindet sich Frankreichs Staatschef gemeinsam mit seiner Frau Brigitte auf Erholungssuche in der präsidialen Sommerresidenz Fort de Brégançon an der Côte d'Azur. Doch die sein Land überrollende, der Delta-Variante des Coronavirus geschuldete vierte Epidemiewelle verhindert, dass er sich entspannt zurücklehnen kann. Vielmehr bemüht er sich in täglichen, auf Instagramm und Tik-Tok eingestellten Kurzvideos, die Jugendlichen des Landes von der Notwendigkeit der Impfung zu überzeugen und den von Impfgegnern verbreiteten Fake News zu kontern. Auf Überzeugungsarbeit allein freilich mag der Präsident nicht setzen. Am Donnerstag billigte der Verfassungsrat mit wenigen Abstrichen ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz, welches nicht nur eine Impfpflicht für das gesamte Gesundheitspersonal vorsieht, sondern auch die Einführung eines sogenannten Gesundheitspasses. Wer ab dem kommenden Montag Zug oder Flugzeug nehmen, in ein Kino, ein Theater, in seinen Sportclub, in ein Einkaufszentrum, eine Bar oder in ein Restaurant gehen will, soll den die vollständige Impfung, die Genesung oder einen gültigen Test bescheinigenden Gesundheitspass vorweisen müssen. Vorzulegen ist er auch bei dem Besuch von Angehörigen im Krankenhaus oder im Seniorenheim. Pour vous, pour vos parents, pour toutes celles et tous ceux que vous aimez, pour la France, faites-vous vacciner. pic.twitter.com/O16uDfKef5 Emmanuel Macron (@EmmanuelMacron) July 28, 2021Aktuell sind bereits 63 Prozent der über 12-Jährigen vollständig geimpft Mit anderen Worten: Ohne Gesundheitspass werden Alltag oder Urlaub in Frankreich kaum mehr zu meistern sein, seine verbindliche Einführung gleicht quasi einer allgemeinen Impfpflicht. Jedenfalls haben die Franzosen ihren Präsidenten, der diese Maßnahmen Mitte Juli ankündigte, genau so verstanden. Es kam zu einem regelrechten Ansturm auf die Impfzentren, wo innerhalb von zwei Wochen rund 9 Millionen Spritzen gesetzt wurden. Die Folge: aktuell sind links des Rheins bereits 63 Prozent der über 12-Jährigen vollständig geimpft und Ende August könnte die Schwelle der 70 Prozent überschritten werden. Macrons Ziel ist es, noch vor dem Herbst eine möglichst hohe Impfquote zu erreichen. Wenn Schulen, Universitäten und Unternehmen wieder öffnen, soll ein (fast) normales Leben auch bei einer Inzidenz möglich sein, die bisher zu Ausgangsperren und Lockdowns führte. Selbst derzeit, wo täglich mehr als 20.000 Neuinfektionen registriert werden und die Inzidenz bei 227 liegt, bleiben landesweite Einschränkungen tabu. Der unverhohlene Druck treibt radikale Impfgegner auf die Barrikaden Allein in den Überseegebieten La Réunion, Martinique und Guadeloupe, wo die Impfquoten unter 20 Prozent liegen, wurden erneut Ausgangsperren und ein Teil-Lockdown verhängt. "Wir können die Menschen nicht ermutigen, sich impfen zu lassen, und dann die Freiheiten der vollständig Geimpften beschneiden", erklärte der Präsident seine Anit-Pandemie-Strategie. Allerdings treibt der unverhohlene Druck, der da auf die Impfunwilligen ausgeübt wird (und zu dem auch die Ankündigung gehört, dass ab September nur noch Geimpfte zur Schule gehen dürfen, falls in einer Klasse ein Schüler positiv getestet wird), die radikalen Impfgegner auf die Barrikaden. Am Samstag kam es zum dritten Wochenende in Folge zu Demonstrationen gegen den Gesundheitspass in rund 100 Städten, an denen zuletzt 200.000 Menschen teilnahmen. Radikale Impfgegner sind den meisten Franzosen suspekt Wobei die Gegner von Macrons sanitärem Kurs jedoch nur eine lautstarke Minderheit stellen und zudem aus einer vogelwilden Mischung aus Impfskeptikern, Verschwörungstheoretikern und rechts- sowie linksextremen Gruppierungen bestehen. In Wirklichkeit eint sie weniger die Ablehnung des Gesundheitspasses als eine tiefe Abneigung gegenüber Macrons Regentschaft. Den Protesten haben sich auch die Überbleibsel der Gelbwesten-Bewegung angeschlossen in der wohl trügerischen Hoffnung, wie im Herbst 2018 wieder einen regelrechten Aufstand auslösen zu können. Denn während die Gelbwesten, die ursprünglich gegen eine empfindliche Erhöhung der Spritpreise auf die Straße gingen, zumindest anfangs die Sympathie von mehr als 70 Prozent der Bevölkerung genossen, sind die radikalen Impfgegner heute 73 Prozent der Franzosen suspekt. Alle Umfragen belegen, dass sowohl die Impfplicht für das Gesundheitspersonal als auch die Einführung des Gesundheitspasses von einer deutlichen Mehrheit unserer Nachbarn begrüßt werden. #COVID19 | Le #PassSanitaire, c'est la présentation de l'une de ces 3 preuves :✅ le certificat de #vaccination✅ la preuve d'un test négatif RT-PCR ou antigénique✅ le certificat de rétablissement de la Covid-19Pour en savoir plus : https://t.co/ci2Xq3cgpq Gouvernement (@gouvernementFR) July 13, 2021

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