Berlin. Müssen diejenigen, die sich nicht impfen lassen, in absehbarer Zeit im Testcenter selbst für ihre Corona-Tests bezahlen? Olaf Scholz ist dafür. Es sei nicht einzusehen, dass der Staat die Tests bezahle, wenn jeder die Möglichkeit zur Impfung gehabt habe, sagt der Vize-Kanzler und SPD-Kanzlerkandidat bei der Gesprächsreihe „Brigitte live" in Berlin. Das gelte aber nicht für diejenigen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen könnten oder für die es, wie für die Kinder, keine Impfempfehlung gebe.
Sollten die Tests teuer sein, um mehr Menschen zur Impfung zu bewegen? „Ich finde nicht, dass es da um Strafe geht", antwortet Scholz. Das Ganze solle „so billig wie möglich sein", sagt er. Dann wirbt der 63-Jährige mit nüchterner Stimme und eindringlichen Worten für die Impfung: „Es ist für einen selbst besser – und auch für alle, die man liebt." Es gebe Millionen geimpfte Menschen, sagt er. „Wir drei sind, glaube ich, auch welche", sagt er zu den beiden Journalistinnen, die ihn befragen. „Wir sitzen hier. Wir sind keine Aliens geworden. Es ist uns nichts passiert."
„Der damalige Olaf Scholz hätte mich, glaube ich, ganz okay gefunden"
Scholz trifft bei dem Gesprächsformat der Frauenzeitschrift einen einnehmenden Ton. Auch hier erzählt er die Geschichte, die er seit Monaten bei jeder Gelegenheit vorträgt: dass er Kanzler werden wolle und einen Plan für das Land habe. Er betont aber immer wieder, ein Politiker müsse auch demütig sein. Scholz sagt, er sei „berührt" davon, wie viele Menschen ihm das in den Umfragen zutrauten. Falls ihn die bislang schwachen Umfragewerte der SPD irgendwie auch berühren, merkt man es ihm nicht an.
Der Sozialdemokrat zeichnet von der eigenen Person das Bild eines Entscheiders, der aber auch zuhören könne. Wer wolle, dass Stromleitungen gebaut würden und ihren Beitrag leisteten, dass Deutschland auch in Zeiten des klimaneutralen Wirtschaftens eine führende Industrienation bleibe, dürfe nicht feige sein. Selbst das Bauen einer schönen S-Bahn-Station, so sagt es der frühere Hamburger Bürgermeister, führe nicht dazu, dass einen plötzlich alle liebten. Es gebe immer Widerstände, gegenteilige Einzelinteressen. Es sei wichtig, Projekte wirklich voranzutreiben, aber auch zuzuhören, was die Menschen an Einwänden vorbrächten.
Was würde der 20 Jahre alte Olaf Scholz, der als Student in einer WG wohnte und die kapitalistische Ökonomie überwinden wollte, über den von heute denken? Das, was immer bleiben werde, sei, dass er Politik mache, um etwas für Gerechtigkeit zu bewegen. Pragmatischer sei er natürlich geworden. Dazu habe beigetragen, dass er nach seiner Juso-Zeit eine Pause von politischen Ämtern gemacht und als Anwalt für Arbeitnehmerrechte gekämpft habe. „Der damalige Olaf Scholz hätte mich, glaube ich, ganz okay gefunden", sagt Scholz. „Aber er wäre nicht mit allem einverstanden, was ich heute so sage."
Scholz: Am stärksten von Ehefrau geprägt
Ein Thema, das Scholz als eines seines gesamten politischen Lebens hervorhebt, ist die Gleichberechtigung von Frauen. Er sagt, er habe, als er mit 17 angefangen habe politisch zu arbeiten, gedacht, dies ließe sich in 20 Jahren vollbringen. In einer von ihm geführten Regierung sollten Frauen und Männer in gleicher Zahl sitzen. Am stärksten sei er selbst durch seine Frau geprägt worden. „Ich glaube, dass ich ein ganz anderer Mensch wäre, wenn ich nicht mit Britta Ernst verheiratet wäre."
Es ist auch eine Frage nach seiner Frau, die einen höchst bemerkenswerten Moment zur Folge hat. Britta Ernst ist Bildungsministerin in Brandenburg. Ob sie denn weiterarbeite, wenn er Kanzler werden sollte, wird Scholz gefragt. „Meine Frau ist eine erfolgreiche Politikerin", sagt Scholz. „Das ist eine Frage, die mich empört", sagt Scholz. Es gebe keinen Grund, dass die eine Laufbahn von der anderen abhängen solle. Die Frage zeige, dass es in der Gesellschaft mit der Gleichstellung noch nicht so weit her sei.
Die Interviewerin wird sich am Ende des Gesprächs entschuldigen. „Das war die dusseligste Frage, die ich in den vergangenen Monaten gestellt habe", sagt sie. „Und ich finde es super, wie Sie reagiert haben."