Schuld und Schlümpfe: Machtkämpfe in der Corona-Pandemie

Berlin/Bielefeld. Irgendwann gingen die stundenlangen Verhandlungen über eine gebotene Corona-Politik vor allem einem schwer an die Nerven. "Sie brauchen gar nicht so schlumpfig herumgrinsen", soll Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) angeblafft haben. Er, Scholz, sei ja nun "nicht der König von Deutschland oder Weltenherrscher". Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern, sprang Scholz bei und keilte gegen Söder: "Ausgerechnet von Ihnen dieser Auftritt!" In ihren Heimatzeitungen wirft Schwesig Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) Versagen vor. Sie verzögerten den Weg aus dem Lockdown und den Kampf gegen die Pandemie. Wir haben einmal zusammengefasst, wie sich die Männer hinter Merkel in dieser Krise schlagen. Markus Söder In der Pressekonferenz nach den wortgewaltigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern versuchte der CSU-Chef, seine Tirade gegen den Vizekanzler wieder einzufangen: "Ich schätze Herrn Scholz grundsätzlich", sagte er. "Ich mein' es nicht böse, ich mein’ es nur gut", hatte Söder neulich beim politischen Aschermittwoch gesagt. Söder stellte sich ein hervorragendes Zeugnis aus; sämtliche Corona-Maßnahmen, "die wir getroffen haben, waren richtig". Inzwischen schwenkten "alle auf das Konzept ein, das wir seit einem Jahr verfolgen". Gut gemeint sind demzufolge die Schutzempfehlungen des Schutzheiligen Söder. Vielen Deutschen gilt er sogar als kanzlertauglich. Egal, ob es um Zustimmungswerte oder die Frage nach der Kanzlerkandidatur geht – der Franke liegt stets deutlich vor dem neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet. CSU-Generalsekretär Markus Blume ließ die Tage aufhorchen, als er sagte, dass es in der K-Frage "definitiv keine Vorentscheidung und auch keinen Automatismus" gebe. Deutschland sei wegen Corona angeblich "noch nicht bereit für Wahlkampf". Olaf Scholz Im Gegensatz zu seinem Vorvorgänger Peer Steinbrück hat Olaf Scholz eines bislang nicht gemacht: sich gegen seine Partei gestellt. Und wenn in der SPD gespottet wird, er habe das Charisma einer Büroklammer, entgegnen andere: "Die Deutschen mögen Büroklammern." Kritisiert wurde der Hanseat mit der "Bazooka" wegen der verzögerten Corona-Hilfen für geschlossene Betriebe. Im Wahlkampf, den die SPD gerade eingeläutet hat, genießt er indes einen großen Vorteil: Er wurde längst zum Kanzlerkandidaten ausgerufen. Zu Beginn dieser Woche hat die SPD als erste Partei ihr Wahlprogramm vorgestellt. Das "Zukunftsprogramm" passt zu Scholz, der die Sozialdemokraten mit dem Machtanspruch einer Volkspartei ausgestattet hat. Einige grübeln über die Machtoption, mit der er es noch am ehesten ins Kanzleramt schaffen könnte: eine Koalition mit Grünen und Linken. Der Mann mit der größten Regierungserfahrung in diesem Feld weiß bislang nicht sicher, wer der Unionsgegner sein wird – das ist noch ein Nachteil. Söder jedenfalls hat er schon einmal erfolgreich aus der Reserve gelockt. Jens Spahn Manch einer hat ihn zu Beginn der Pandemie schon in der Nähe des Kanzleramts gesehen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn prägte 2020 den Satz des Corona-Jahres, als er sagte: "Wir werden einander viel verzeihen müssen." Gebetsmühlenartig betonte er im Wettbewerb um den CDU-Vorsitz, er trete in einem Team an – Laschet vorne auf dem Tandem, er hinten. Einige in der Partei legten einen Tausch nahe, Spahn aber blieb loyal. Inzwischen stellte sich heraus, dass der CDU-Hoffnungsträger, der bei seinen eigenen Kontakten zumindest zeitweise wohl zu leichtsinnig war, als Minister zu viel versprochen hat: angesichts der Corona-Schnelltests und der Impfungen für die Menschen in den Pflegeeinrichtungen. Zudem hat er sich rhetorisch verfahren, indem er sich durch ein ominöses "Wir" mit den Bürgerinnen und Bürgern verschwistert. So sagte Spahn regelmäßig, dass "wir alle" in dieser Krise gefordert seien. Er sagte das so oft, dass man sich fragte, worin seine Regierungsverantwortung liegt. Er ist ihr schon einmal besser gerecht geworden. Armin Laschet Fast sieben Wochen ist Armin Laschet nun CDU-Vorsitzender. Deutschland spricht aber mehr über Spahns Fettnäpfchen. Sogar der zweimal gescheiterte Kandidat um den CDU-Chefposten, Friedrich Merz, ist häufiger in den Schlagzeilen. Merz hat gerade seine Kandidatur für den Bundestag offiziell gemacht – gegen den derzeitigen Abgeordneten des Hochsauerlandkreises. Die Erwartungen an Laschet sind zugleich gestiegen: Er soll die Partei sortieren. Für Ordnung und Struktur hat der Ministerpräsident Laschet seine Leute. Als CDU-Chef wird sich zeigen, ob es ihm gelingt, die Partei gemeinsam mit Generalsekretär Paul Ziemiak zu organisieren. Der Corona-Manager Laschet hatte in NRW ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil seine Entscheidungen nicht immer transparent wirkten. Die Opposition kritisierte Laschet unter anderem, weil er den Virologen Hendrik Streeck vor den Karren seiner politischen Agenda gespannt habe. Öffentlichkeitswirksam begleitet von einer Vermarktungsagentur. Fahrlässige Manöver werden in einer großen Krise übel genommen, auch das zeigen die persönlichen Umfragen.

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