89.000 Infektionen an einem Tag - Coronavirus überschattet US-Wahlkampf

Washington. Andy Beshear, der Gouverneur von Kentucky, redete nicht lange drum herum. &bdquo;Das explodiert gerade im ganzen Land.” Seine Kollegin Michelle Lujan aus New Mexico riet ihren Bürgern de facto, in den kommenden drei Wochen ganz zuhause zu bleiben. Zwei Momentaufnahmen aus Amerika, wo ein sprunghafter Anstieg bei den Corona-Infektionen die letzte Etappe des Präsidentschaftswahlkampfs überschattet und Ärzte und Wissenschaftler in akute Unruhe versetzt. Mit knapp 89.000 neuen Fällen binnen 24 Stunden haben die USA am Samstag nach Erfassung der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore einen neuen Rekord gesetzt. Die tatsächliche Zahl werde noch höher liegen, sagen die Experten, weil Gesundheitsämter am Wochenende traditionell schleppender ihre Meldungen hinterlegen. Bereits am Freitag wurden über 80.000 neue Fälle registriert. Im Schnitt verzeichneten die Behörden in der vergangenen Woche Tag für Tag landesweit 68.000 Fälle - 32 Prozent mehr als zwei Wochen zuvor. Die Zahl der Todesfälle pro Tag lag im Mittelwert bei 775. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen wuchs um 40 Prozent. Insgesamt sind seit Jahresbeginn über 225.000 Amerikaner an Covid-19 gestorben, die Zahl der Infektionen erreichte am Sonntag 8,65 Millionen. Neue Höchststände in 20 Bundesstaaten 20 Bundesstaaten, darunter Illinois, Tennessee, New Mexico, Nebraska and Utah, melden neue Höchststände. Betroffen sind diesmal nicht die von urbanen Zentren geprägten Ränder an der Ost- und Westküste, sondern vor allem ländlich geprägte Bundesstaaten wie North- und South Dakota, Wyoming oder Montana. Hier herrscht die massive Sorge, dass die oft unzulängliche Krankenhaus-Infrastruktur nicht ausreichen wird, wenn die Zahlen wetterbedingt in der kalten Jahreszeit weiter steigen. Der rapide Anstieg der Corona-Zahlen hat den Ruf nach drastischeren Maßnahmen lauter werden lassen. Dr. Anthony Fauci, der führende Epidemiologe der US-Regierung, sprach erstmals von einer staatlich angeordneten Pflicht zum Tragen von Atemschutzmasken. Nach jüngsten Untersuchungen der Universität von Washington State (Westküste) könnten bis Februar 2021 rund 10.000 Todesfälle vermieden werden, wenn sich die Amerikaner durchweg in der Öffentlichkeit für Schutzmasken entscheiden würden. &bdquo;Der potenziell lebensrettende Vorteil durch verstärkte Masken-Nutzung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden”, sagt der Leiter der Studie, Christopher Murray. Mehr als eine Million Todesopfer möglich Umkehrschluss: Geben die Bundesstaaten, die im föderalen Amerika entscheidend sind, ihre Restriktionen zur Virus-Bekämpfung auf und lassen immer mehr Laxheit zu, könne die Zahl der Todesopfer binnen der kommenden vier Monate auf über eine Million steigen. Murray betonte ausdrücklich, dass die Annahme, die Pandemie sei bald besiegt, falsch sei. Im Gegenteil. Im beginnenden Winter sei mit einer substanziellen Verschärfung der Lage zu rechnen. Damit stellte sich der Experte dezidiert gegen die Verlautbarungen von Donald Trump. Der Präsident erklärt auf seinen täglichen Wahlkundgebungen, auch am Sonntag in New Hampshire, dass Amerika die &bdquo;Plage” aus China so gut wie überwunden habe. Den Anstieg der Infektionen führte er ausschließlich auf verstärktes Testverhalten zurück. &bdquo;Wenn wir halb so viel testen würden, wäre die Zahl halb so hoch.” "Covid, Covid, Covid, Covid, Covid" Trump ließ sogar erstmals unverhohlen Überdruss darüber erkennen, dass Corona (in den USA unter Covid-19 bekannt) nach wie vor das Thema der Stunde ist. &bdquo;Schaltet man den Fernseher an: Covid, Covid, Covid, Covid, Covid”, lamentierte Trump vor seinen Anhängern und bot einen bizarren Vergleich an: &bdquo;Ein Flugzeug stürzt ab, 500 Leute sind tot, und sie reden nicht darüber.” Trump prophezeit, dass nach der Präsidentenwahl Corona aus den Schlagzeilen verschwinden werde. Medien und die oppositionellen Demokraten hätten nichts anderes im Sinn, als den Menschen Angst einzujagen. Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden unterstellt Trump dagegen grobe Fahrlässigkeit. Durch Massenkundgebungen, bei denen selten Masken getragen werden, verbreite der Präsident das Virus.

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