Steuereinnahmen: Dem Staat gehen nochmal 30 Milliarden verloren

Berlin. Bevor es besser wird, wird es schlechter. Die Steuereinnahmen gehen in diesem und den Folgejahren wohl noch stärker zurück als angenommen. Das ist das Ergebnis der neuen Steuerschätzung, die wegen der Corona-Krise früher anberaumt wurde. Zwischen 2020 und 2023 erhalten Bund, Ländern und Gemeinden demnach 29,6 Milliarden Euro weniger, als bei der vorhergehenden Schätzung im Mai berechnet. Der Bund muss mit minus 19,1 Milliarden Euro den größten Teil des zusätzlichen Verlustes verkraften. Im Vergleich zur Mai-Schätzung gehen ihm dieses Jahr gut neun Milliarden und 2021 fast elf Milliarden verloren. Die erneuten Rückgänge haben zwei Ursachen. Erstens Corona: Mitte des Jahres beschloss die Regierungskoalition aus Union und SPD zusätzliche Steuererleichterungen, damit beispielsweise Unternehmen besser durch die Krise kommen. Sie dürfen etwa ihre augenblicklichen Verluste großzügiger mit vergangenen Gewinnen verrechnen. Ergebnis: Die Finanzämter müssen bereits erhalte Steuereinnahmen zurückerstatten. Die abgesenkte Mehrwertsteuer führt zu weiteren Einnahmeverlusten beim Staat. Steueraufkommen liegt deutlich unter dem von 2019 Davon abgesehen liegt das Steueraufkommen 2020 deutlich unter dem von 2019. Kontaktbeschränkungen, Kurzarbeit, Schließung von Geschäften und Branchen, die wie in der Kulturszene immer noch anhält, zeigen ihre Wirkung. Firmen zahlen weniger Gewinnsteuer, die Beschäftigten weniger Lohn- und Einkommensteuer. Die Verluste durch die Pandemie sind allerdings etwas geringer als im Mai angenommen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht eine gewisse Stabilisierung der Lage. Trotzdem müssen die Finanzressorts nun mit hohen Defiziten in ihren Haushalten zurecht kommen. Die Einnahmen decken nicht mehr die Ausgaben. Diese kann man aber nicht einfach zusammenstreichen, weil dadurch die Wirtschaftskrise verschärft würde. So forderte der Deutsche Städtetag Hilfen für die Kommunen auch für die Jahre 2021 und 2022. Um Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger nicht zusätzliche Lasten aufzubürden, gibt es augenblicklich nur einen Weg, die Lücke zu schließen: höhere Schulden. Schuldenbremse ist erstmal nicht einzuhalten Scholz nimmt dieses Jahr wohl rund 150 Milliarden Euro an Krediten auf. 2021 soll das Defizit zurückgehen, bleibt aber imposant: 80 Milliarden Euro neue Schulden könnten bald im Haushaltsplan stehen. Klar ist, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz mindestens dieses und nächstes Jahr nicht einzuhalten ist. Trotz einzelner Unmutsäußerungen aus der Union hat sich die Koalition damit abgefunden. Fraglich bleibt, wie es nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 weitergeht. 2022 solle der Bundeshaushalt wieder mehr oder weniger ausgeglichen sein, forderte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus unlängst. &bdquo;Die Ausnahme von der Schuldenbremse darf nicht zum Dauerzustand werden", erklärte auch Eckhardt Rehberg, haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. &bdquo;Wenn die Krise vorbei ist, müssen wir Ausgaben und Einnahmen schleunigst wieder in Einklang bringen." Finanzminister Scholz sagte am Donnerstag Ähnliches. Ob das jedoch schon 2022 gelingt, kann man für zweifelhaft halten. Damit stellt sich diese Frage: Gibt es weitere Wege, Löcher zu stopfen und möglicherweise sogar den Schuldenstand aktiv zu reduzieren? SPD-Chefin Saskia Esken und auch Scholz brachten eine Steuererhöhung für Leute mit hohen Einkommen ins Spiel. Diese ließe sich allerdings wohl nur mit einer neuen grün-rot-roten Bundesregierung ab Ende 2021 realisieren, die derzeit keine Mehrheit in den Umfragen hat. Bleiben also doch die Schulden. Diese steigen zwar jetzt, werden aber mit dem nächsten Aufschwung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung auch wieder sinken. So ähnlich wie nach der Finanzkrise ab 2010.

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