Deutlicher Sieg für Johnson

Kommentar zur Wahl in Großbritannien: "Europas Unglückstag"

Nach dem eindeutigen Votum der Briten für Johnsons Konservative, das den Weg für einen Brexit Ende Januar ebnet, gibt es vier große Verlierer. Ein Kommentar.

Johnson will Brexit nach Wahlsieg "fristgerecht" Ende Januar umsetzen. | © Reuters/Neil Hall/File Photo

Thomas Seim
13.12.2019 | 13.12.2019, 09:01

Es ist Freitag, der 13. – selten dürfte der Unglückscharakter eines solchen Tages größer gewesenen als dieser. Die überwältigende Entscheidung der Briten für eine konservative Regierung unter Premierminister Boris Johnson stellt die Gewissheiten der vergangenen Jahre in Europa in Frage.

Verlierer sind auch die Briten selbst

Erster Verlierer sind Johnsons innenpolitische Gegner von der Labour-Party. Mit einem letztlich unentschiedenen Linkskurs, der keine eindeutige und klare Haltung für oder gegen die Europäische Union erkennen ließ, fiel die einst innovative regierende sozialdemokratische Kraft des Landes auf ein seit 1983 historisches Tief.

Zweiter Verlierer sind die Briten selbst. Genervt von der jahrelangen Debatte um die Mitgliedschaft in der EU, haben sie sie mit einem eindeutigen Votum für den Austritt beendet. De facto aber bedeutet diese Entscheidung eine Rückkehr zum Nationalismus. Schon bald wird diese Entscheidung auch das jetzt stark scheinende Königreich vor ganz neue Debatten stellen.

Schotten werden Einheit in Frage stellen

In Schottland haben ebenfalls die Nationalisten einen großen Sieg errungen. Zwar ging es dort nicht um Selbstständigkeit. Gleichwohl werden die Schotten dieses Thema nun erneut aufgreifen und damit die Einheit Großbritanniens in Frage stellen.

Ob Irland und Nordirland in eine ähnliche Debatte kommen werden, ist nicht gewiss aber auch nicht unwahrscheinlich. Und selbst Wales steht nicht so sicher, wie manche in London zu glauben scheinen.

Auch die Wirtschaft verliert

Dritter Verlierer wird die britische Wirtschaft sein. Der Traum der ehemaligen Weltmacht, sie könne eigenständig und ohne die EU ihre Stärke im Weltmarkt behaupten, ist abwegig. Neben den USA, China und Indien werden nur wenige Regionen der Welt ihre Position dort behaupten können. Das ist schon für die große EU kein leichter Wettbewerb. Der wird ohne Großbritannien nun noch härter.

Selbst wenn Nigel Farrage von den Brexiteers mit seiner These, ohne die Briten gebe es keine EU mehr, falsch liegt: Es wird ohne die Briten jedenfalls deutlich härter für die Union, sich ökonomisch zu behaupten.

Mehr Unsicherheit für die EU

Vierter Verlierer ist deshalb die Europäische Union. Im Gefolge des britischen Austritts wird die bislang haltende Einheit unsicherer werden. Die Wahrnehmung nationaler Interessen wird deutlicher werden. Einen ersten Eindruck davon konnte man bereits bei den Klimagesprächen am Donnerstag gewinnen, wo zunächst die Polen die Einheit nicht mehr mitmachen wollen.

Ganz gleich, wohin man schaut: Dieser Freitag ist ein großer Unglückstag für alle Seiten in Europa. Die Verlierer dieser britischen Entscheidung – und am besten auch die Sieger – werden sich nun mit der Frage beschäftigen müssen, wie sie die Zeitenwende auf dem alten Kontinent so gestalten, dass die Rückkehr zum Nationalismus nicht zugleich die alten nationalistischen Konflikte neu eskalieren lassen.