Herr Haunss, Sie haben an der ersten empirischen Studie über die Fridays for Future-Bewegung mitgearbeitet. Erreicht die Bewegung mit dem Aktionstag heute schon ihren Zenit?
Sebastian Haunss: Der Aktionstag wird sicherlich ein Mobilisierungshöhepunkt. Was danach folgt, hängt ja nicht nur von Fridays for Future ab, sondern auch von den politischen Reaktionen auf den Protest und von der gesellschaftlichen Debatte darüber.

Die Bundesregierung hat ein Klimapaket angekündigt. Nimmt das die Forderungen der Proteste ausreichend auf?
Haunss: Die Bundesregierung hat vieles angekündigt, aber noch nichts umgesetzt. Ausreichend wird es in keinem Fall sein, weil es keine weitreichenden Maßnahmen zur wirklichen CO2-Reduzierung sind, soweit zu erkennen ist, sondern nur Anreize zur Nutzung weniger CO2-intensiver Techniken.
Für wie stabil halten Sie die Bewegung? Ist das politisches Engagement, wie wir es uns von der Jugend wünschen?
Haunss: Es ist auf jeden Fall politisches Engagement, wie wir es uns von wünschen. Sie handeln ja nicht aus eigennützigen Motiven, sondern setzen sich für die Gemeinschaft ein und haben schon zu einem Wandel des politischen Diskurses geführt. Und: Es ist überraschend dauerhaft. Dass es diese wöchentlichen Demos weiter gibt, war im vergangenen Herbst nicht unbedingt zu erwarten. Das ist mehr Kontinuität, als es viele andere Proteste es hinbekommen haben. Wichtig ist, dass sich die Aktionen nicht im Schulstreik erschöpfen, sondern wie beim Aktionstag auch zu anderen Formen des Protestes finden.
Die Aufmerksamkeit, die Fridays for Future bekommt, hat ja inzwischen auch zu heftigen Gegenreaktionen geführt. Warum ist vielen etwa in sozialen Netzwerken Greta Thunberg so verhasst?
Haunss: Zunächst sind die Forderungen der Bewegung ja nicht der Mainstream, sonst müssten sie ja nicht auf die Straße gehen. Vielen gesellschaftlichen Akteuren passen Rufe nach mehr Klimaschutz eben nicht und auch die Politik ist ja noch eine andere. Dass dazu auch persönlich diffamierende Reaktionen kommen, ist in der Tat auch ein Soziale-Medien-Phänomen. Und da wird Greta Thunberg aufgrund ihrer herausragenden Rolle besonders angefeindet.
Ist den jungen Leuten nur das Klima wichtig, oder ließen sich ähnliche Bewegungen etwa für Frieden oder soziale Gerechtigkeit vorstellen?
Haunss: Was man aus der Forschung sicher weiß, ist, dass frühes Engagement die Wahrscheinlichkeit auch für späteres Engagement deutlich erhöht. Dabei können sich Themen und Formen durchaus unterscheiden. Eine Folge, die Fridays for Future meiner Ansicht nach sicher haben wird, ist aber eine Politisierung derer, die jetzt dabei sind. Diese Politisierung wird in den Biografien dieser jungen Leute, die jetzt großteils zum ersten Mal aktiv sind, sicher ihre Spuren hinterlassen.
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