Warum OWL-Singles die Nase voll haben von Online-Dates - und dennoch weitermachen

Bielefeld. "Jetzt anmelden und passende Singles entdecken." So einfach geht Online-Dating laut einem großen Anbieter. Doch die Realität sieht anders aus. Statt romantischer Dates erleben viele Suchende Befremdliches und Abschreckendes. Und auch der Erfolg bleibt oftmals aus. Singles aus OWL berichten von ihren Erfahrungen. "Guten Morgen, meine zukünftige Vögelei." Dieser heitere Gruß erwartete Tabea* eines Morgens auf ihrem Handy, nachdem sie einen neuen Mann bei Tinder kennengelernt hatte. Die 40-Jährige ist dating-erfahren und seit Jahren auf verschiedenen Portalen aktiv. "Aber das war schon eine Perle in der Reihe der Unverschämtheiten." Auch sonst hat sie einiges erlebt: Beleidigungen, Grenzüberschreitungen, Lügen, Tricks und Maschen, um sie "rumzukriegen". "Ein Nein ist ein Nein, diese Regel gilt für viele nicht." Ein Mann schlug als erstes Date ein Treffen in der Sauna vor, weil Tabea das bei ihren Hobbys angegeben hatte. "Als ich das als zu intim ablehnte, beleidigte er mich und schrieb, dass er dann weitersuchen würde - nach jemandem, der lockerer sei als ich." Ghosting ist weit verbreitet Ein anderer Mann gab ein falsches Alter an, rückte erst nach tagelangem Hin- und Herschreiben mit der Wahrheit raus. "Er war 26 und nicht, wie angegeben, 34." Trotzdem war Tabea bereit zu einem Treffen. "Einen Tag vorher löste er dann plötzlich unser Match auf und löschte sein Profil - ohne irgendeine Kommunikation dazu." Dieses plötzliche Abbrechen des Kontakts ohne Vorwarnung oder Erklärung, Ghosting genannt, ist weit verbreitet beim Online-Dating. So verbreitet, dass viele Portale in ihrer Netiquette für einen angemessen höflichen Umgang miteinander werben. Und auch Männer haben damit zu kämpfen. Der 40-jährige Jan* stört sich daran am meisten. "Weil es ständig passiert und immer ohne wirklichen Grund. Man schreibt sich über Tage nett hin und her und plötzlich: Funkstille. Man kann sich doch wenigstens kurz abmelden." Doch auch ihm wurde das Phänomen schon vorgeworfen - weil er sich vor einem verabredeten Treffen ein paar Stunden lang nicht gemeldet hatte. "Die betreffende Frau schrieb mir daraufhin sofort, dass ich ihre Zeit nicht wertschätze und warum ich sie ghoste. Dabei war ich beruflich einfach eingespannt." Dreiviertel der Internetnutzer haben Online-Dating gemacht Das Tempo und der hohe Druck auf den Portalen sind auch etwas, das der 40-Jährige kritisiert. "Irgendwie scheint niemand Zeit zu haben, sich erstmal in Ruhe kennenzulernen - egal, ob in der virtuellen oder der realen Welt. Ich hatte schon Bekanntschaften, da wollten die Frauen nach dem ersten Date wissen, wo wir jetzt stehen und wo das hinführen soll." Dass Online-Dating auch über Jahre zu gar nichts führt, erschöpft Annika.* Drei Jahre ist es her, seit sie sich das erste Mal in einer Dating-App angemeldet hat. Zuerst erstellte sie ein Profil bei Lovoo, ein Profil bei Tinder folgte kurze Zeit später. Die dritte Plattform, auf der sie sich anmeldete, war Elitepartner. Trotz unzähliger Likes, Matches und Chats sowie mehrerer Dates, war der passende Partner fürs Leben nicht dabei. Stattdessen wuchs von Mal zu Mal der Frust. Dass das Kennenlernen nicht in einer Bar in der realen Welt stattgefunden hat, sondern per Dating-App im Internet ist heutzutage keine Seltenheit mehr. Einer aktuellen Statista-Umfrage zufolge geben 77 Prozent der Internetnutzer zwischen 16 und 29 Jahren an, schon einmal Online-Dating gemacht zu haben. In der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen sind es 66 Prozent. Potenzielle Partner müsste es auf den Plattformen also zur Genüge geben. Lesen Sie auch: Partnersuche per App: Wie’s beim Online-Dating romantisch bleibt In ihren Profilen in den verschiedenen Apps hat Annika angegeben, was sie sucht: Einen Mann, mit ernsten Absichten, mit Zukunftsperspektive und Familienvorstellungen, die zu ihren passen. Auf die ersten Likes folgten direkt einige Matches und auch Nachrichten. &bdquo;Mit einigen habe ich viel und lange geschrieben", erzählt die 29-Jährige. Immer wieder schienen potenzielle Partner dabei zu sein, bei denen alles passte, mit denen sie sich eine gemeinsame Zukunft vorstellen konnte. &bdquo;Aber oft genug ist es vorgekommen, dass die Menschen in echt ganz anders waren, beispielsweise ein unfreundliches Auftreten hatten, oder sogar ganz andere Absichten als im Profil angegeben." Immer wieder ließen solche Erfahrungen Annika resignieren. &bdquo;Meist habe ich meine Profile in den Dating-Apps dann wieder gelöscht." Online-Bekanntschaften passen nicht zu eigenen Wünschen Auch Tim* sucht in verschiedenen Dating-Apps nach einer Partnerin. Er ist 32 Jahre alt und obwohl auch er in seinen Profilen angegeben hat, etwas Ernstes zu suchen, hat er die Erfahrung gemacht, dass die von den Apps vorgeschlagenen Menschen häufig nicht zu seinen Wünschen passen. &bdquo;Oft führen die Menschen ein Leben, das ganz weit weg von dem ist, was ich mir vorstelle", sagt der Löhner, der ebenfalls schon mehrere Dates mit Online-Bekanntschaften hatte. &bdquo;Ein bisschen kann man sich ja aufeinander einstellen, aber wenn jemand in eine Großstadt ziehen möchte, das würde nicht zu mir passen." Mehr Infografiken finden Sie bei StatistaDoch es gibt die positiven Beispiele. Beide haben in ihrem Freundeskreis Paare, die sich online kennengelernt haben. Auf insgesamt drei Hochzeiten solcher &bdquo;Internet-Paare" ist Annika schon gewesen. &bdquo;Und insbesondere nach solchen Feiern war die Motivation hoch und ich habe mich wieder in den Apps angemeldet", sagt die Herforderin - nur um wieder die gleichen ernüchternden Erfahrungen zu machen. Sie habe sich dann oft selbst dabei erwischt, mit welcher Gleichgültigkeit sie auf den Plattformen unterwegs war. Das Phänomen Dating-Fatigue Dating-Fatigue, also Dating-Müdigkeit, nennen Experten dieses Phänomen. &bdquo;Die Leute sind inzwischen erfahren im Online-Dating, es ist normal geworden, dass man durch die scheinbar grenzenlose Auswahl in den Apps theoretisch täglich Tausende Leute kennenlernen könnte", erklärt Henning Wiechers. Er hat 2003 die Online-Plattform Singleboersen-vergleich.de gegründet und sieht im kostenlosen Angebot von Bumble, Tinder und Co. einen Grund der Problematik. &bdquo;Mit einem Preis von 400 Euro für ein sechsmonatiges Abo selektieren Partnerbörsen wie Parship und andere kostenpflichtige Dating-Apps schon einmal vor", sagt er. Zwar sei im Umkehrschluss bei den kostenlosen Apps deutlich mehr los, aber der &bdquo;Sumpf" auch dementsprechend tiefer. Trotzdem will er nicht den Dating-Apps allein die Schuld für die Dating-Fatigue geben. Auch wenn die Algorithmen bestimmen, wer wen angezeigt bekommt, liege es am Ende an den Menschen, was sie daraus machen. &bdquo;Man kann es mit einer Disko vergleichen: Wenn ich zehn Mal in den gleichen Club gehe und alle anderen wen kennenlernen, ich aber nicht, dann liegt es nicht an der Disko", lautet der Vergleich des Experten. Viel mehr spiele auch die Ehrlichkeit und Motivation der Dating-Willigen eine Rolle. Lügen bei der Partnersuche Das betont auch Beate Becker, die seit über 40 Jahren eine klassische Partnervermittlung betreibt. Zwar haben sich die Ansprüche und Vorstellungen von einer Partnerschaft durchaus verändert, doch eine besondere Herausforderung habe bis heute Bestand. &bdquo;Es wird nirgends so viel gelogen wie bei der Partnersuche", sagt die Bad Oeynhausenerin. Und weil das im Online-Dating noch viel leichter möglich ist, komme das dort immer wieder vor. Lesen Sie auch: Umfrage: Deutsche zeigen mehr Nachsicht beim Fremdgehen Dass sie auf kostenlosen Dating-Plattformen ihren Partner beziehungsweise ihre Partnerin fürs Leben finden, davon sind sowohl Annika als auch Tim nicht wirklich überzeugt. Nette Dates und gute Erfahrungen, auch wenn der berühmt-berüchtigte Funke nicht übergesprungen ist, haben dennoch beide machen können. &bdquo;Am besten wird es aber wahrscheinlich immer noch sein, jemanden im realen Leben über einen längeren Zeitraum kennenzulernen", sagt Tim. &bdquo;Weil nur dann weiß man wirklich, wie der andere tickt." Tabea datet trotz ihrer schlechten Erfahrungen weiter online. "Das Problem ist, dass man zwar zwangsläufig irgendwann ein Stück weit das Vertrauen in Männer verliert und auch wirklich erschöpft ist. Gleichzeitig sehe ich nicht wirklich eine Alternative, wenn ich jemanden kennenlernen will, weil alle online daten." *Namen von der Redaktion geändert

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