Mit Karte der Anschlagsorte

Brandanschläge auf französisches Zugnetz: Züge in NRW fallen aus

Kurz vor dem Start der Olympischen Spiele hat es in Frankreich einen „massiven Angriff“ auf das TGV-Bahnnetz gegeben. Die Folgen werden nach ersten Einschätzungen das gesamte Wochenende zu spüren sein.

Mitarbeiter der SNCF und französische Gendarmen inspizieren den Tatort eines mutmaßlichen Anschlags auf das Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn. | © Denis Charlet/dpa

26.07.2024 | 26.07.2024, 15:55

Paris (AFP/dpa/SID/mot). Wenige Stunden vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris haben Unbekannte Brandanschläge auf mehreren Anlagen des französischen Schnellzugnetzes verübt. Der Schnellzugverkehr auf der Atlantik-, Nord- und Ostachse sei derzeit stark beeinträchtigt, teilte die französische Bahn SNCF mit. Der französischen Zeitung „Le Parisien“ zufolge fanden die Anschläge in Verginy, Courtalain, Croisilles und Pagny-sur-Moselle statt. Laut „Le Monde“, konnte ein Anschlag auf die Süd-Ost-Verbindungen (Strecke nach Marseille) vereitelt werden.

Die Täter schlugen aus allen Himmelsrichtungen zu. Dreimal gelang ihnen eine Sabotage, einmal konnte sie verhindert werden. - © Grafik: P. Massow, Redaktion: J. Schneider
Die Täter schlugen aus allen Himmelsrichtungen zu. Dreimal gelang ihnen eine Sabotage, einmal konnte sie verhindert werden. | © Grafik: P. Massow, Redaktion: J. Schneider

Auf dem Kurznachrichtendienst X heißt es vom Betreiber des Schienenpersonennahverkehrs, dass ein Brand in der Nähe der Gleise im Abschnitt Courtalain den TGV-Verkehr auf den Strecken Paris Tours und Paris Le Mans beeinträchtigt.

Auch auf der Route zum Stade de France im Norden von Paris – wo Rugbyspiele und die Leichtathletik-Wettkämpfe stattfinden – geht aktuell nichts. Allerdings hielten sich direkte Einschränkungen auf die sportlichen Events in Grenzen, weil am Freitag kein Training und kein Wettkampf auf dem Programm steht. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo erwartet auch „keine Auswirkungen“ auf die Eröffnungsfeier am Abend, weil das Verkehrsnetz der Region Île-de-France und damit das von Paris nicht betroffen sei.

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Rund 800.000 Fahrgäste betroffen

Zahlreiche Fahrgäste versammeln sich im Pariser Bahnhof Gare Montparnasse rund um die Abfahrtstafeln. - © Thibaud Moritz/dpa
Zahlreiche Fahrgäste versammeln sich im Pariser Bahnhof Gare Montparnasse rund um die Abfahrtstafeln. | © Thibaud Moritz/dpa

Noch immer kommt es zu Verspätungen und Ausfällen auf den TGV-Strecken. Jeder zweite Zug nach Osten, nach Norden und jeder vierte Schnellzug in Richtung Bordeaux sei betroffen. Nach Angaben von SNCF sind allein am Freitag rund 250.000 Fahrgäste betroffen, am gesamten Wochenende seien es gar 800.000.

Auch Züge der Bahngesellschaft Thalys/Eurostar sind von den Anschlägen betroffen. Diese Züge fahren unter anderem von Köln nach Paris (über Dortmund, Essen, Duisburg, Düsseldorf) und verspäten sich oder fallen gar ganz aus. Laut Eurostar habe es im Streckenabschnitt zwischen Lille und Paris einen Kabeldiebstahl gegeben. Auch Signalanlagen sollen beschädigt worden sein.

Soldaten patrouillieren nach mehreren Brandanschlägen vor dem Bahnhof Gare du Nord. - © Mark Baker/dpa
Soldaten patrouillieren nach mehreren Brandanschlägen vor dem Bahnhof Gare du Nord. | © Mark Baker/dpa

Die Deutsche Bahn rechnet mit nur geringen Auswirkungen auf den deutschen Zugverkehr. Erste Folgen hat es etwa in Stuttgart bereits gegeben. Dort ist am Morgen ein Zug Richtung Paris gestartet, der sich nun verspätet, so die „Stuttgarter Zeitung“.

Bei Zugtickets für Verbindungen zwischen Frankreich und Deutschland, die am 26. Juli gekauft wurden, ist die Zugbindung mittlerweile aufgehoben worden. Reisende können somit andere Verbindungen zu ihren geplanten Ankunftszielen nutzen und zu späteren Zeitpunkten abreisen.

Deutsche Olympiateilnehmer schaffen es nicht zur Eröffnungsfeier

Auch drei deutsche Olympia-Springreiter sind auf dem Weg nach Paris ausgebremst worden. Wegen der zu erwartenden großen Verspätung stornierten die Pferdesportler ihre Anreise und verpassen damit auch die Eröffnungsfeier.

In Frankreich werde derweil mit den Reparaturen begonnen, hieß es. Die Einschränkungen könnten aber das ganze Wochenende dauern. Die SNCF sprach von „mehreren gleichzeitigen böswilligen Handlungen“. SNCF-Chef Jean-Pierre Farandou ging von einer womöglich geplanten Tat aus. „Wir können annehmen, dass die Anschläge geplant und kalkuliert waren“, so Farandou. Die Brandorte entsprächen Gabelungen. Genauere Hintergründe sind aber derzeit unklar.

Der französische Verkehrsminister Patrice Vergriete schrieb auf X von „koordinierten böswilligen Aktionen“, er verurteile diese „kriminellen Handlungen aufs Schärfste“. Premierminister Gabriel Attal sprach von „koordinierten Sabotageakten“. „Unsere Nachrichtendienste und Ordnungskräfte sind mobilisiert, um die Urheber dieser kriminellen Handlungen zu finden und zu bestrafen“, so Attal.

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Pariser Staatsanwaltschaft untersucht Angriff auf Bahnnetz

Die Angriffe beschäftigen nun auch die Pariser Staatsanwaltschaft. Es werde unter anderem eine Untersuchung eingeleitet wegen des Verdachts auf Beschädigung eines Gutes, das den grundlegenden Interessen der Nation diene, teilte die Behörde mit. Außerdem werde ermittelt, ob ein Angriff auf ein automatisiertes Datenverarbeitungssystem durch eine organisierte Bande, Sachbeschädigung und versuchte Sachbeschädigung mit gefährlichen Mitteln vorliege. Auf diese Delikte stehen in Frankreich teils hohe Strafen.

IOC-Präsident Thomas Bach hat derweil keine „Bedenken“, was die Olympischen Spiele betrifft. Im Olympischen Dorf sagte Bach wenige Stunden vor Beginn der Zeremonie: „Wir haben volles Vertrauen in die französischen Behörden.“ Die würden „von 180 anderen Geheimdiensten auf der ganzen Welt unterstützt“, fügte er hinzu.

Bundesregierung verurteilt den Sabotageakt

Es sei „kein Zufall“, dass dies am Tag der Eröffnungsfeier geschehe, so die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): „Die schwerwiegenden Sabotageakte gegen das französische Bahnnetz zeigen, wie ernst die Bedrohungslagen aktuell in Europa sind und wie wichtig die starken Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Olympischen Spiele sind.“ Faeser erklärte, dass die französischen und deutschen Sicherheitsbehörden eng zusammenarbeiten würden. „Das gilt für alle denkbaren Gefahren von Terrorismus, Sabotageakten und Gewaltkriminalität bis hin zu Cyberattacken.“

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, Konstantin von Notz (Grüne), sagte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“: „Auch in Deutschland müssen die Behörden im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen in Frankreich sehr, sehr aufmerksam bleiben.“

300.000 Menschen zur Eröffnungsfeier erwartet

Am Freitagabend (ab 19.30 Uhr/ARD) findet in Paris die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele statt. Zu der pompösen Zeremonie entlang der Seine werden in der Metropole enorm viele Zuschauer erwartet. Die Veranstalter rechnen mit rund 300.000 Menschen am Ufer. Etwa 120 Staats- und Regierungschefs sowie weitere Vertreter werden zu der Eröffnungsfeier erwartet, unter ihnen Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch die US-amerikanische First Lady Jill Biden wird bei der Zeremonie live dabei sein.

Laut „Le Monde“ gebe es derzeit keine Anzeichen für einen Zusammenhang zwischen den Anschlägen und den Olympischen Spielen. Gleichzeitig werden allerdings die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Die Pariser Polizeipräfektur „konzentriert ihr Personal auf die Pariser Bahnhöfe“, kündigte Laurent Nuñez, der Polizeipräfekt von Paris, im Sender „franceinfo“ an.

Gesichert wird das einmalige Event von rund 45.000 Polizisten und Gendarmerie-Mitgliedern, sowie 18.000 Soldaten. Zudem sollen Scharfschützen, Taucher und KI-Kameras mögliche Zwischenfälle rund um die Eröffnungsfeier am Abend auf der Seine verhindern. Der Luftraum im Umkreis von 150 Kilometern um Paris wird für den Abend gesperrt. Die Bereiche der Seine, an denen die Parade stattfindet, sind weitläufig für den Autoverkehr gesperrt.

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