
In der Jugend war es einfach ein Hobby. Man traf sich oder spielte allein. Für Spaß musste man sich damals noch keine Zeit nehmen: Man hatte sie. Als Vater zweier Kinder kann ich darüber nur noch müde lächeln. Und müde ist hier das Stichwort. Denn das Spielen verlagert sich sozusagen in die Randstunden des Tages, die Nacht also.
Privat spiele ich ohnehin schon nur noch, was mir gute Geschichten erzählt. Ich bin quasi der Hörbuch-Gamer. Für Mehrspieler-Games fehlt mir neben der Zeit vor allem das Verständnis. An welche Online-Schlacht erinnere ich mich Jahre später denn noch so wie an den Prolog von "The Last of Us", dessen erzählerische Wucht mich schon sprachlos machte, als ich noch gar keine Kinder hatte?
Mein Blick geht aber auch in ganz andere Richtungen: die offensichtlichen Probleme, die übermäßiges Spielen auslösen kann, zum Beispiel. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Online-Spielsucht 2018 offiziell als Krankheit anerkannt. Das Multiplayer-Spiel "Fortnite" wird oft als Negativbeispiel herangezogen. Eltern tuscheln schuldbewusst darüber, nach dem Motto: "Tja, sie lieben's halt." Noch sind meine Kids viel zu klein, als dass sie überhaupt in die Nähe solcher Spiele kämen. Aber wie schafft man den Spagat zwischen eigener Begeisterung und verantwortungsbewusstem Spielen der Kinder?
Bin ich als Gamer-Vater ein guter Ansprechpartner?
Denn ich bin ja befangen und verteidige Spiele vielleicht ein bisschen zu vehement. Mal ehrlich: In vielen davon geht es tatsächlich nur mit Gewalt voran. Für mich war das aber nie ein störender Faktor (was für Nicht-Spieler beunruhigend klingen muss), weil ich mir natürlich mit 16 nur sparsam Gedanken um meine geistige Entwicklung gemacht habe. "Das", sagt Iren Schulz, Mediencoach der Initiative "Schau hin!", "sollte man bei seinen Kindern in Erfahrung bringen: Was gibt dir das? Was ist dein Antrieb?"
Für die meisten Spieler sei die Gewalt in ihren Spielen gar nicht als mögliches Problem präsent. Es muss aber auch nicht für jeden - Kind oder Erwachsenen - eines werden. "Die Kids verlieren sich dann, wenn auch im realen Leben etwas schief hängt", sagt Schulz. Eine Erkenntnis, die übrigens schon von 1993 datiert. Damals sagte der Freiburger Soziologe Klaus Neumann-Braun mit Blick auf die Auswirkungen gewalthaltiger Spiele dem Spiegel: "Je differenzierter die Studien, desto geringer sind die tatsächlich nachgewiesenen Effekte."
Trotzdem: Bin ich als Vorgeprägter nicht eigentlich ein schlechter Ansprechpartner für meine Kinder, wenn sie selbst spielen wollen? Friederike Siller, Professorin für Medienpädagogik, widerspricht: "Im Gegenteil: Es ist doch toll, wenn der Vater Ahnung hat und weiß, wie schön es sein kann, sich richtig für etwas zu begeistern." Siller arbeitet am Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der Technischen Hochschule Köln. Ihr dortiges Projekt "Spielraum" ist ein Angebot an Eltern und alle anderen mit Fragen zum Thema "Kinder und Spiele".
"Computerspielen ist Eltern suspekt"
Und das Angebot wird genutzt, zum Beispiel von kommunalen Familienberatungsstellen. Denn das Einstiegsalter beim Gaming sinkt wegen Smartphones immer tiefer in den Grundschulbereich. Oft hilft Eltern trotzdem schon ein einfacher Hinweis: "Zeigt Interesse!", fordert Siller, selbst Mutter zweier Kinder. "Es gehört heute mehr denn je dazu, Kinder in ihren Medienerfahrungen zu begleiten und zu befähigen, sich immer sicherer und selbstständiger in digitalen Spielwelten zu bewegen." Spielen, das betonen Pädagogen seit Jahrhunderten, ist der Grundbaustein des Lernens. Siller hat aber den Eindruck gewonnen: "Spielen am Computer ist Eltern grundsätzlich suspekt."
Denn "es gibt keine Regel, wie sie damit umgehen sollten, die so einfach funktioniert wie drei Mal drei", sagt Siller. Ihr Rat: auf die Balance achten. Das Bedürfnis, sich im sehr durchgetakteten Alltag mal fallenzulassen, "ist okay, das geht uns doch nicht anders". Wichtig ist dann die Frage: Kriegt das Kind auch noch die Kurve? Hat es auch Spaß an anderen Dingen? Mit Blick auf das Schreckgespenst Mediensucht sagt Iren Schulz: "Das ist nicht das Phänomen: Ich spiele mal drei Tage lang ein Spiel durch. Da reden wir über ein Jahr."
Spielen als Projekt begrenzt die Spielzeit natürlich
Deshalb gilt es auch darauf zu achten, was Kinder spielen. Siller macht das an einem Beispiel mit ihrem Sohn fest, der "Minecraft" spielt, eine Art riesiger Lego-Spielplatz, in dem man aus den Ressourcen der Welt alles von der Hütte bis zum Bergmassiv und sogar das Harry-Potter-Schloss selbst bauen kann - mit entsprechendem Zeitaufwand. "Er hat da immer ein Projekt. Und das kann ich als Mutter doch unterstützen. Ich kann sagen: Jetzt bist du so weit, morgen kannst du dann da weiterbauen."
Als immer noch spielendem Vater macht es mir Mut, praktische Hilfen an die Hand zu bekommen. Iren Schulz sagt aber auch: "Wir müssen erzieherische Anwandlungen nicht rechtfertigen. Es gibt Dinge, die sind für Kinder, und es gibt Dinge, die sind nichts für Kinder." Das gelte natürlich vor allem im Kleinkindalter. Zur Herausforderung wird es, wenn die Kinder älter werden. "Aber das müssen Eltern auch aushalten." Verhandlungen und Diskussionen "sind eigentlich das Beste, was man machen kann."
Siller sieht im gemeinsamen Spielen auch eine Chance: "Man muss sich mit seinen eigenen Vorlieben und Erfahrungen zurücknehmen können, schafft dann aber wertvolle gemeinsame Spielzeit mit seinem Kind."
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