Meinung

Wehrpflicht, Rente, Maut: Deutschland braucht in vielen Fragen Inspiration aus dem Ausland

Bei der Wehrpflicht orientiert sich Berlin plötzlich am dänischen Vorbild. Der Blick über die Grenzen sollte häufiger stattfinden, meint unser Autor Martin Fröhlich.

Bei der Wehrpflicht orientiert sich der Kompromissvorschlag jetzt am dänischen Modell. | © Pixabay

Martin Fröhlich
16.10.2025 | 16.10.2025, 12:00

Sind Sie auch verwirrt? Wehrpflicht. Wehrdienst. Freiwillig. Halbfreiwillig. Losverfahren. Der Varianten gibt es viele, wie man nun Personal für die Bundeswehr beschaffen will. Und jetzt ist etwas passiert, was in Deutschland eher unüblich ist: Die Politik hat sich im Ausland umgeschaut.

Das Modell des Losverfahrens für den Wehrdienst kommt vom Grundsatz her aus Dänemark. Dort gilt Wehrpflicht, doch nur rund ein Fünftel der jungen Männer wird einberufen. Im Prinzip ein Losverfahren. Theoretisch müssen alle, praktisch nur wenige.

Ob dieses Modell für Deutschland seinen Zweck erfüllt, ist noch nicht klar. Auffällig aber ist, dass man in Berlin endlich einmal den Blick über die Grenzen hinweg hat schweifen lassen. Das gehörte bisher nicht zur Tagesordnung.

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Auch anderswo gibt es kluge Köpfe

Anders ist das in Japan. Dort hat man sich vor 170 Jahren geöffnet und angefangen, sich aus der westlichen Kultur Elemente herauszupicken. Man hat sie imitiert und verfeinert. Nach dem Motto: Lieber gut kopiert als schlecht selber gemacht. Die Chinesen haben das in den vergangenen 50 Jahren in der Wirtschaft getan. Sehr zu unserem Verdruss, doch es hat sie an die Weltspitze geführt.

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In Deutschland haben wir auf eigenen Innovationsgeist gesetzt. Lange Zeit zu Recht. Unser Sozialsystem war einst ein Vorbild für andere. Unser Wirtschaftswunder auch. Vielleicht haben wir deshalb vergessen, dass es auch anderswo kluge Köpfe gibt.

Denken wir an das Desaster mit der Lkw-Maut, als Deutschland unbeirrbar auf einem eigenen technischen System bestand. Es hat die Einführung um Jahre verzögert. Oder an das noch größere Scheitern mit der Pkw-Maut. Die gibt es bis heute nicht. Hätte man sich eines der funktionierenden Autobahnmaut-Modelle aus Österreich, der Schweiz, Italien oder Frankreich abgeschaut, wäre das anders gekommen.

Eine Schande, wenn man sich keine Hilfe holt

Ähnlich wie bei der Maut steuern wir auch bei der Finanzierung von Gesundheits- und Rentensystem auf einen Crash zu. Die Kosten übersteigen die Einnahmen. Wir haben das seit 20 Jahren kommen sehen.

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Unternommen haben wir kaum etwas. Dabei gibt es effektivere Modelle. In Sachen Krankenkassen lohnt ein Abstecher nach Singapur, wo es ein persönliches Gesundheitskonto gibt, in die Schweiz, wo man auf individualisierte Beiträge setzt, oder in die Niederlande mit dem verpflichtenden Hausarztmodell. In Israel und Estland mindert die Digitalisierung enorm die Kosten. Bei der Rente landeten die Niederlande 2024 im internationalen Vergleich ganz vorn. Sie setzen auf einen Mix aus staatlicher Basisrente und privater Zusatzrente für Arbeitnehmer.

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Es ist keine Schande, wenn man ein komplexes Problem nicht selbst lösen kann. Eine Schande ist es, wenn man sich keine Hilfe holt.