Meinung

Die Wirtschaft lahmt: Worauf wartet die Regierung?

Die Probleme der deutschen Wirtschaft sind seit Jahren bekannt. Es braucht jetzt keine Expertenrunden, sondern Kraft und Mut zu politischen Entscheidungen, meint unser Autor.

Kanzler Friedrich Merz (CDU, r.) und sein Vize Lars Klingbeil (SPD) diskutieren im Bundestag: Wo bleiben die Entscheidungen? | © Michael Kappeler/dpa

Andreas Niesmann
25.09.2025 | 25.09.2025, 17:10

Manchmal hilft ein Blick in die Vergangenheit, die gegenwärtige Lage klarer zu sehen. Zum Beispiel die der deutschen Wirtschaft. Ja, es hat schon schlimmere Einbrüche gegeben. In der Finanz- oder Corona-Krise ging es deutlich steiler bergab. Doch länger angehalten als derzeit hat eine Flaute nie. Seit zweieinhalb Jahren schrumpft die deutsche Wirtschaftsleistung. Nur wenn es in den letzten Monaten des Jahres gut läuft, lässt sich der Negativrekord von drei Rezessionsjahren in Folge vermeiden.

Derzeit glauben die meisten Ökonomen, dass das haarscharf gelingen wird und am Ende des Jahres ein Miniwachstum steht. Das allerdings haben die Fachleute auch in den zurückliegenden Jahren stets geglaubt, um dann erst ihre Prognosen und später sogar die offizielle Statistik nach unten zu korrigieren.

Am Ende ist es weitgehend egal, ob die deutsche Volkswirtschaft nun um 0,1 Prozent schrumpft oder um 0,2 Prozent wächst. Real ändert sich dadurch für die allermeisten Menschen wenig. Viel wichtiger ist etwas anderes: Der lang ersehnte und von der schwarz-roten Regierung mehrfach versprochene Stimmungsumschwung muss endlich her. Und derzeit deutet wenig darauf hin, dass die Regierung Merz diesen herbeiführt.

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Mini-Wachstum ist teuer erkauft

Zwar dürfte, und das ist die gute Nachricht, die Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr tatsächlich wieder zulegen. Das Wachstum aber wird teuer erkauft. 500 Milliarden Euro für Infrastruktur hat die Regierung ins Schaufenster gestellt, neben einer faktisch unbegrenzten Summe für Rüstung. Es ist ein Verschuldungspaket, das das Land noch nicht gesehen hat. Und das nach jüngster Prognose der Forschungsinstitute im kommenden Jahr für gerade einmal 1,3 Prozent Wachstum sorgen wird.

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Besser als nichts, könnte man sagen, und läge damit nicht falsch. Doch die Wirkdauer eines staatlichen Konjunkturpakets ist begrenzt. Wenn die Wirtschaft nicht anspringt, nützen all die sanierten Brücken und Autobahnen wenig. Im Gegenteil: Das künstlich und auf Pump generierte Wachstum könnte schlimmstenfalls dazu führen, dass sich die Politik in Sicherheit wiegt und ihr ohnehin nicht sonderlich ausgereifter Reformeifer nachlässt.

Die Gefahr ist real. Vom „Herbst der Reformen“, den CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Kanzler Friedrich Merz wieder und wieder angekündigt haben, ist weit und breit nichts in Sicht. Ein paar Kommissionen haben Union und SPD auf den Weg gebracht, das war’s.

Es braucht endlich Kraft und Mut

Dabei gibt es kein Erkenntnisproblem. Seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, ist bekannt, dass Renten-, Pflege- und Krankenkassen mit dem Ausscheiden der Babyboomer-Jahrgänge aus dem Berufsleben unterfinanziert sein werden. Auch Ideen, wie man die Systeme nachhaltiger aufstellen kann, liegen seit Jahren auf dem Tisch. Es braucht also keine Expertenrunden, es braucht die Kraft und den Mut zu politischen Entscheidungen.

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Derzeit mangelt es der Regierung an beidem – und fehlende Einigkeit kommt erschwerend hinzu. Anstatt an Konzepten zu arbeiten, betreiben die Koalitionäre daher Erwartungsmanagement. Man möge doch bitte nicht mehr vom „Herbst der Reformen“ reden, soll Unionsfraktionschef Jens Spahn seine Leute intern gemahnt haben, man sei noch nicht so weit. Wen kümmert es schon, dass der kalendarische Herbst erst am 20. Dezember endet, also noch gut drei Monate Zeit ist?

Selbst wenn es statt des „Herbstes der Reformen“ einen „Winter der Veränderung“ oder ein „Frühjahr der Erneuerung“ gibt, wird das am Ende egal sein. Hauptsache, die Parteien der Mitte handeln überhaupt. Tun sie es nicht, übernehmen irgendwann die Ränder. Und die werden ganz andere Dinge auf den Prüfstand stellen als Sozialversicherungen und Bürokratie.