
Jahrelang wurde der Unionsfraktion im Bundestag vorgeworfen, nur ein Kanzler- oder Kanzlerinnenwahlverein zu sein. Was einst Helmut Kohl und Angela Merkel vorschlugen, wurde von den ihren im Bundestag meist kritiklos durchgewunken. Das hat sich grundlegend geändert – und nun ist es auch wieder nicht recht. Denn dass die Abgeordneten von CDU und CSU aufmüpfig werden, ist einerseits demokratisch legitimiert und richtig, aber für die Koalition und das Land hochgefährlich.
Es fing schon bei der Wahl von Merz zum Kanzler an. Die Ursache dafür: Die Manager der Macht, Kanzler Friedrich Merz selbst und Fraktionschef Jens Spahn, machen einen Fehler nach dem anderen. Sachliche und kommunikative.
Es gelingt den beiden nicht, die für die Union schmerzhaften Kompromisse und Entscheidungen in den eigenen Reihen zu vermitteln und die Abgeordneten zu überzeugen. Das ist aber umso wichtiger, wenn Beschlüsse zu fassen sind, die den eigenen Grundüberzeugungen und Versprechen der Konservativen widersprechen. Das muss in einer Koalition aber immer möglich sein.
Viele Themen nur mit Murren der Union beschlossen
Schuldenbremse, Stromsteuer, Steuersenkungen, Rentenreform, Besetzung von Richterposten beim Bundesverfassungsgericht, sind alles Themen, die nur mit Murren weiter Teile der Union oder gar nicht beschlossen wurden. Das Bürgergeld und selbst die dauerhafte Regelung illegaler Migration lauern noch in der Schublade mit der Aufschrift „Zu erledigen“.
Aktuell kocht die in der Sache richtige Gaza-Entscheidung des Kanzlers in Unionsreihen hoch. Mit der CSU nicht besprochen, nicht mal Parteichef Markus Söder war eingebunden. Teile der CDU tragen sie inhaltlich nicht mit und wurden zusätzlich kommunikativ brüskiert. Eine Sonderschalte der Außenpolitiker sollte Druck vom Kessel nehmen. Sie endete im Eklat.
Gut zu wissen: Merz versucht, die Gaza-Entscheidung zu erklären
Denn während nur der außenpolitische Berater des Kanzlers die Abgeordneten zu besänftigen suchte, gab Merz selbst ein TV-Interview. Das konnten die Unionisten parallel auf ihren Handys verfolgen, heißt es. Sie fühlten sich einmal mehr nicht ernst genommen.
Da wirkt das Duo Scholz/Mützenich geradezu genial
Hochgefährlich ist ein innerlich zerrissener und schlecht geführter Partner für die schwarz-rote Koalition, die somit schon nach 100 Tagen in schwere See geraten ist. Und hochgefährlich ist das für Deutschland. Denn auf diese Weise wird keine Politik gemacht, die die AfD zurückdrängt und den Menschen Zuversicht gibt, wie erste Umfragen zeigen.
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Im internen Fraktionsmanagement waren die viel gescholtenen Olaf Scholz und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Vergleich zum Duo Merz/Spahn geradezu genial. Wenn das bei der Union weitergeht wie bisher, besteht die Gefahr, dass Schwarz/Rot dasselbe Schicksal widerfährt wie der Ampel.