
Bundeskanzler Friedrich Merz ist es in den ersten Monaten seiner Amtszeit gelungen, Deutschland zurück auf die internationale Bühne zu bringen. US-Präsident Donald Trump hört ihm zu. Kreml-Chef Wladimir Putin zeigt sich interessiert an einem Gespräch mit dem Deutschen. Mit klarer Aussprache und offenen Umgangsformen setzt er international einen neuen Ton. Er nutzt lieber den Begriff „Drecksarbeit“ für das kriegerische Vorgehen Israels im Iran, als sich hinter diplomatischen Formulierungen zu verschanzen.
Dieser neue Stil ist nicht ohne Risiko. Wer mit offenem Visier durch die Welt spaziert, ist leichter anzugreifen. German Mut statt German Angst. Deutschland findet auf internationalem Parkett wieder Gehör und in der Heimat kommt die Botschaft an: Da vertritt einer unsere Interessen und man versteht, was er sagt. Bislang sind Merz auch keine großen Fehler unterlaufen. Es ist, als habe er nach der Wahl zum Bundeskanzler einen Hebel umgelegt: Er springt nicht mehr über Stöckchen und wirkt – sofern man das angesichts der Weltlage sein kann – entspannt.
Die saubere internationale Bilanz, die Merz vorzuweisen hat, sorgt dafür, dass seine CDU in den Umfragen Auftrieb bekommt. Seine persönlichen Werte sind ebenfalls deutlich gestiegen. In den neuen, für Merz erfreulichen Zahlen steckt auch ein großer Hoffnungswert: Dieser Kanzler wird nun die deutsche Wirtschaft ankurbeln, die Infrastruktur flottmachen, die Digitalisierung vorantreiben und, und, und.
Innenpolitisch muss Merz die dringlichste Frage noch lösen
Der Erwartung schließt sich das große Aber an. In der kommenden Woche stehen der Nato- und der EU-Gipfel an. Es findet damit wieder Außenpolitik statt, während Merz in dieser Woche die innenpolitisch aktuell dringlichste Frage in eine Arbeitsgruppe vertagt hat. Wer genau zwischen Bund, Ländern und Gemeinden finanziert die geplanten Entlastungen der Wirtschaft?
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Mit dem Signal des Kanzlers, dass der Bund den Kommunen helfen will, ist die Kuh nicht vom Eis. Die Landeshaushalte sind alle auf Kante genäht. Steuerausfälle kann sich niemand leisten. Das Sondervermögen wiederum, wovon die Länder ja 100 Milliarden Euro erhalten sollen, darf nicht in Steuersenkungen fließen. Es muss tatsächlich für den Aufbau der Infrastruktur genutzt werden. Ansonsten werden die Wirtschaftshilfen nicht mehr sein können als ein Tischfeuerwerk.
Die Herausforderung ist also enorm, die versprochenen Wirtschaftshilfen umzusetzen, das Sondervermögen zukunftsorientiert zu investieren und zugleich endlich den Bundeshaushalt für das laufende Jahr auf den Weg zu bringen. Zur Erinnerung: Exakt daran, am Haushalt 2025, war die Ampel-Regierung gescheitert.
Bundesregierung steht vor der Spar-Frage
Nimmt man alle diese Bedingungen zusammen und schaut auch noch auf die klammen Sozialkassen, wird der Spielraum eng. Noch vor der Sommerpause, noch bevor diese Regierung 100 Tage im Amt ist, wird sich die Frage stellen: Wo können wir sparen? Man braucht keine Glaskugel, um vorherzusagen, dass die Antworten von Union und SPD auf diese Frage sehr unterschiedlich ausfallen werden.
Und dann steht Merz knietief im Treibsand der deutschen Innenpolitik: Koalition zusammenhalten, Länder finanziell befrieden, das vorhandene Geld so einsetzen, dass sowohl die Wirtschaft wie auch die Bürgerinnen und Bürger an den Aufschwung und an einen neuen Spirit im Land glauben.
Die Einigung mit den Ländern auf die Wirtschaftshilfen wird dabei Merz innenpolitisches Gesellenstück werden. Solche Kompromisse lassen sich nicht mit seiner Paradedisziplin der knackigen öffentlichen Ansagen schmieden. Im Gegenteil: Dafür braucht es Überzeugungskraft hinter den Kulissen.