
Die SPD-Basis hat Ja gesagt. Die Parteispitze darf den schwarz-roten Koalitionsvertrag am Montag unterschreiben. Alles andere wäre auch ein GAU gewesen. Für die Regierungsbildung und damit für Deutschland, das seit dem Bruch der Ampel vor sechs Monaten national und international weitgehend blockiert ist – und ebenso für die Sozialdemokraten, deren Spitze trotz der historischen Wahlschlappe dem 144-Seiten-Papier eine klare sozialdemokratische Handschrift verpasst hat. Es wäre mangelnde Demut gewesen, noch mehr zu verlangen, und eine Fehlanalyse, sich besser in der gemütlicheren Opposition regenerieren zu können.
Mit einem Nein hätten bei der Beteiligung von 56 Prozent der SPD-Mitglieder an der Befragung am Ende auch nicht einmal 200.000 Menschen über das Aus für eine Koalition von drei Parteien entschieden. Und hinter der stehen knapp die Hälfte der rund 50 Millionen Wählerinnen und Wähler. Bei aller erstrebenswerten Parteibasisdemokratie der SPD – das Vertrauen in Deutschland wäre weiter gesunken, während sich andere Staaten um die Rettung der Ukraine kümmern und Russland sowie den USA unter Donald Trump Paroli bieten.
„Verantwortung für Deutschland” ist der Titel des Koalitionsvertrags. Dazu gehört auch, Anhängern von rechtsextremen Parteien Verantwortung für Demokratie und Freiheit zu vermitteln, die beides für normal halten. Und nicht, wie es der angehende Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) befürwortet, die AfD so normal wie die anderen Oppositionsfraktionen zu behandeln. Würde die SPD auf Macht und Gestaltungsmöglichkeiten verzichten, würde sie wie zuvor die österreichische Schwesterpartei SPÖ in die Falle der Rechtsextremen tappen. Aus dem zwischenzeitlichen Koalitionsverhandlungschaos in Wien ging nur die FPÖ gestärkt hervor.
Kein Platz für Zockerei
Abgeordneten der SPD, die womöglich noch glauben, am kommenden Dienstag dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz bei der Wahl zum Bundeskanzler aus Enttäuschung über den Koalitionsvertrag oder die Kabinettsliste die Stimme verweigern zu müssen, sei zugerufen: In diesen fragilen Zeiten ist kein Platz für Zockerei. Der Erfolg oder Misserfolg von Merz entscheidet jetzt über die Stabilität Deutschlands.
Auch die SPD kann erst einmal nur maximales Interesse daran haben, Merz nach Kräften zu unterstützen. Schon ohne Zerwürfnis der Verhandler ist die AfD in Umfragen stärkste Kraft geworden. Entscheidend ist im Moment nicht, ob man Merz mag oder nicht, sondern nur, ob Deutschland mit ihm vorankommt. Ob Brücken und Schulen saniert, Steuern für Unternehmen und Bevölkerung gerecht eingenommen und Strompreise gesenkt werden. Und Deutschland seiner Bedeutung als größte Volkswirtschaft Europas wieder gerecht wird.

Lars Klingbeil muss Geschick beweisen
Der neue starke Mann in der SPD ist Lars Klingbeil. Der Parteichef hat sich Vizekanzlerschaft und Finanzministerium gesichert. Bei der Auswahl der SPD-Ministerinnen und Minister und der Neuaufstellung der Fraktionsspitze muss er großes Geschick beweisen. Dazu gehört, die unter Druck geratene Co-Chefin Saskia Esken so zu behandeln, dass ihm das Versprechen zur Erneuerung der Partei abgenommen wird, ohne sie abzuservieren und die Schuld für die Wahlniederlage bei ihr abzuladen.
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Denn für die riesigen Herausforderungen der schwarz-roten Regierung, braucht der 47-Jährige Solidarität in der Partei. Er kann nur hoffen, dass die Mitgliederbeteiligung von 56 Prozent kein Ausdruck von Desinteresse und Frust der anderen 44 Prozent sind. Die bei der Wahl auf 16,4 Prozent abgestürzte Sozialdemokratie hat mit der neuen Regierung eine große Chance, wieder nach oben zu kommen. Das ist mit dieser konservativen Union von Merz und CSU-Chef Markus Söder und den zu erwartenden Konflikten mit ihr aber wahrlich kein Selbstläufer.