Meinung

Pflege in der Krise: Die neue Bundesregierung darf nicht zögern

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht zwar eine große Pflegereform vor, doch zunächst soll eine Arbeitsgruppe tagen. Das lässt nichts Gutes hoffen, befürchtet unsere Autorin.

Im Alter sind immer mehr Menschen auf Hilfe angewiesen, doch die Zahl der Pflegekräfte steigt nicht entsprechend. | © picture alliance

Carolin Nieder-Entgelmeier
17.04.2025 | 17.04.2025, 15:21

Der Pflege geht die Puste aus. Bis 2030 fehlen in Deutschland 500.000 Vollzeitstellen, die Kosten für Pflege explodieren und trotz steigender Nachfrage steigt die Zahl der Insolvenzen von Pflegeanbietern. Kurzum: Die Pflege steckt in einer Krise und um die zu überwinden, braucht es dringend eine Reform. Darin sind sich Experten und die meisten Politiker inzwischen einig. Auch die künftige neue Bundesregierung aus Union und SPD sieht den Bedarf und kündigt im Koalitionsvertrag eine große Pflegereform an.

Doch ob die auch wirklich kommen wird, ist offen, denn Konkretes liefert der Vertrag nicht. Obwohl längst bekannt ist, was getan werden muss, hat sich die neue Regierung gegen eine direkte Umsetzung und für den Einsatz einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe entschieden, die in diesem Jahr zunächst Vorschläge für Verbesserungen erarbeiten soll.

Zunächst scheint der Einsatz einer Arbeitsgruppe, in die auch kommunale Spitzenverbände eingebunden werden sollen, nachvollziehbar. Schließlich ist eine Reform dieser Art komplex und betrifft die gesamte Bevölkerung. Doch die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass Arbeitsgruppen oder Kommissionen zwar viel Arbeit investieren, dieser Einsatz jedoch nicht zwingend zu einer Reform führen muss. Oft sind Politikern die Veränderungen dann doch zu gewaltig und die Sorgen um Wählerstimmen überwiegen den im Koalitionsvertrag versprochenen Reformwillen. Insgesamt scheint es so, als ob sich die Regierung davor drücken wollte, für mögliche unangenehme Entscheidungen verantwortlich gemacht zu werden.

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Mehr Geld reicht nicht, nötig sind Reformen

Das ist ein gefährliches Spiel, denn gefragt ist jetzt schnelles Handeln. Und damit ist nicht das von der Ampelregierung perfektionierte Prinzip Gießkanne gemeint, das auf Probleme einfach mit immer mehr Geld reagiert. Das mag, wenn überhaupt, kurzfristig Abhilfe schaffen, doch strukturelle Probleme können mit diesem Prinzip nicht gelöst werden.

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Nötig ist eine tiefgreifende Reform der Pflegeversicherung, um die Versicherer vor der Pleite, Arbeitnehmer und ?-geber vor steigenden Beiträgen und die Bevölkerung vor dem Armutsrisiko Pflegebedürftigkeit zu bewahren. Ebenso wichtig ist eine Reform der Pflege, um mehr Menschen für den Beruf, aber auch für Freiwilligendienste und Ehrenamt zu begeistern. Möglich ist das mit Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, Erhöhungen der Kapazitäten für Auszubildende, Freiwillige und Ehrenamtliche, mit dem Abbau von Bürokratie und einfacheren Zugängen in den Mangelberuf Pflege aus dem Ausland.

Viele Pflegeanbieter zeigen bereits trotz Krise, wie gut das funktionieren kann. Doch ohne die Politik geht es nicht, denn sie muss die Voraussetzungen für Verbesserungen schaffen.

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