Meinung

Bundestagswahl 2025: Union und SPD vor dem Aufbruch ins Unvermeidliche

Die zersplitterte Parteienlandschaft lässt nach der Bundestagswahl nur noch eine einzige Regierungsoption zu. Die Chancen für Union und SPD sind jedoch gar nicht so schlecht, meint unser Autor.

CDU-Chef Friedrich Merz und sein SPD-Kollege Lars Klingbeil bei einem Empfang im Frühjahr 2022: Sie müssen die nächste Regierung schmieden. | © picture alliance/dpa/dpa-Pool

Klaus Schrotthofer
25.02.2025 | 25.02.2025, 09:40

„Sorry seems to be the hardest word“, heißt es bei Elton John – „Entschuldigung“ scheint das schwierigste Wort in Beziehungen zu sein. Das gilt auch in der Politik. Dabei gäbe es viel Anlass, Fehler zuzugeben nach dieser Bundestagswahl.

Olaf Scholz hätte den Anfang machen können an diesem Wahlabend. Es ist offensichtlich, dass es falsch war, an der Spitzenkandidatur für die SPD festzuhalten. Die Bilanz der gescheiterten Ampel-Koalition und sein gestelzter Kommunikationsstil wirkten auf viele Menschen geradezu abschreckend. Der Versuch, auf den letzten Metern noch mehr Härte in der Zuwanderungspolitik zu demonstrieren, war unglaubwürdig. Der Aufstieg der Linken speist sich auch aus dieser rhetorischen Zuspitzung. Der Kanzler hätte seiner Partei einen letzten Dienst erweisen können, wenn er die Verantwortung für die historische Niederlage übernommen hätte. Der Start für die kommende SPD-Führungsriege wäre leichter gewesen.

Christian Lindner hätte sich entschuldigen können. Für die selbstbezogene Taktiererei, mit der er die Regierung von Anfang an sabotiert hat. Für die programmatische Verengung auf brachialen Wirtschaftsliberalismus, mit der er die FDP verzwergt hat. Er stellte das bis zuletzt als Tugend dar und erschwert dadurch den Wiederaufstieg einer wirklich liberalen Partei.

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Auch Wahlsieger Merz müsste sich entschuldigen

Die Grünen schulden all den Menschen ein „Sorry“, die sie im Gestus moralischer Überlegenheit nicht regiert, sondern gemaßregelt haben. Die Vorstellung, dass die notwendige ökologische Transformation auch ökonomisch sinnvoll ist, wurde dadurch diskreditiert. Das wird uns noch viel Geld kosten.

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Auch der Wahlsieger hätte allen Grund, sich bei seinen Anhängern zu entschuldigen. Friedrich Merz hat das Potential, das sich für die Union aus einer spektakulär gescheiterten Regierung und einem unpopulären Kanzler ergab, nicht annähernd ausgeschöpft. Es war ein schwerer, strategischer Fehler, im Bundestag mit der AfD zu stimmen und die Migrationspolitik dadurch zum alles beherrschenden Thema im Wahlkampf zu machen. Das nutzte nachweislich nur den Rechtsextremen, die mehr als eine Million Stimmen von früheren Unionswählern erhielten und zusätzlich fast zwei Millionen Menschen aus dem Lager der Nichtwähler mobilisieren konnten.

Dazu haben übrigens auch Medien beigetragen, die in einer Vielzahl so genannter „Duell“-Formate den Eindruck vermittelten, dass eine in Teilen gesichert rechtsextreme Partei im gleichberechtigten Diskurs völlig normal sei. Es ist selten gelungen, deren Lügen und Halbwahrheiten zu entlarven; viel häufiger konnte Alice Weidel ihre Hasspropaganda ungestört und ungefiltert in die Wohnzimmer blasen.

Bundestagswahl hinterlässt zersplitterte Parteienlandschaft

Das Ergebnis all dieser Selbstverliebtheiten und Fehleinschätzungen ist eine zersplitterte Parteienlandschaft, die nur noch eine einzige Regierungsoption eröffnet. Und es ist nicht zu erwarten, dass sich die Verantwortlichen tatsächlich dafür entschuldigen werden. Aber wenigstens intern sollten sie ehrlich Bilanz ziehen, damit aus der nächsten nicht die vorerst letzte seriöse Regierung wird.

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Die Chancen für ein erfolgversprechendes Bündnis sind gar nicht so schlecht, wie man zunächst meinen könnte. Die SPD ist vorrangig kein Bündnis von Minderheitenschutzvereinen, die Union ist in ihrer Mehrheit keine rechtskonservative Bewegung. Das eröffnet ein großes Handlungsfeld für eine echte Koalition der Mitte. Doch beide müssen sich bewegen. Die SPD muss ihr beleidigtes Gezicke schnellstens beenden und die Union ihr arrogantes Allmachtsgehabe.

Viele Gemeinsamkeiten zwischen CDU und SPD

Der Wahlkampf hat vernebelt, wie groß die Schnittmengen zwischen den beiden auf vielen Feldern tatsächlich sind. Die CDU wird sich bei schuldenfinanzierten Investitionen bewegen müssen, die SPD bei der Reform des Sozialstaats. Die Migrationspolitik wird sich entlang der europarechtlichen Begrenzungen bewegen müssen. Einen wichtigen Schritt in die Mitte hat Friedrich Merz bereits getan, als er am Wahlabend sein wichtigstes Ziel formulierte: Er will Europa gegen die Anfeindungen aus Russland und den USA (!) verteidigen. Das ist richtig und bemerkenswert, weil er sich nicht länger von der AfD treiben lässt und für die SPD anschlussfähig wird. Womöglich hat Merz verstanden, dass er nicht vorrangig als schwarzer Sheriff gewählt wurde, sondern vielmehr als bürgerliche Alternative zum ungeliebten Scholz. Fast zwei Millionen ehemalige SPD-Wähler haben diesmal die CDU angekreuzt.

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Es wäre ein starkes und ein ermutigendes Signal, wenn sich Union und SPD nun schnell verständigen würden, statt in wochenlangem Gewürge das Unvermeidliche hinauszuverhandeln. Ein Kabinett mit neuen, gerne jüngeren Gesichtern, bestrebt, das Vertrauen der breiten Mehrheit zurückzugewinnen. Es könnte die Stimmung im Land grundlegend verändern.