Meinung

Ukraine-Verhandlungen: Europa muss sich aus der Schockstarre befreien

Die Ukraine-Frage wird zum Machtkampf um die Neuverteilung der Welt. Europa muss jetzt Einigkeit und Selbstbewusstsein demonstrieren, meint unser Autor.

Der französische Präsident Emmanuel Macron begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Ukraine-Gipfel in Paris. | © Aurelien Morissard/AP/dpa

Thomas Seim
17.02.2025 | 17.02.2025, 17:05

Die Zeitenwende ist da. Das wissen wir nicht erst, aber spätestens seit der Regierungserklärung von Bundeskanzler Scholz zum russischen Angriff auf die Ukraine am 27. Februar 2022. Seither ringen Europa und die USA mit Russland und China um die Beherrschung des alten Kontinents. Mit dem Treffen amerikanischer und russischer Unterhändler zu diesem völkerrechtswidrigen Krieg wird daraus in Saudi-Arabien ein Machtkampf um die Neuverteilung der Welt.

Historische Parallelen sind stets mit Vorsicht zu thematisieren, aber nach Trumps Wahlsieg steht Europa vor einer Situation, der es sich zuletzt Anfang des 19. Jahrhunderts ausgesetzt sah. Es droht die vollständige Restauration. Wie tiefgreifend der Bruch geht, mag man bereits daran erkennen, dass Trump den vom Internationalen Staatsgerichtshof ausgestellten Haftbefehl gegen den Kremlherrscher Putin ignoriert. Vollends erkennbar wird der Einschnitt daran, dass Europa bei den Oligarchen nicht mal mehr am Tisch sitzen soll.

So weit, so schlecht ist man geneigt zu urteilen. Jedenfalls bislang. Allerdings sind schon jetzt im Wesentlichen drei große Linien einer Neuordnung zu beschreiben, die auch Europa zurück ins Handeln bringen können. Sowohl eine Einfrierung des Konflikts als auch die Formulierung von Beistandsgarantien für die Zukunft der Ukraine sind ohne geeintes europäisches Handeln kaum darstellbar. Und selbst bei einem Ausstieg der USA bestünde Handlungs- und Abstimmungsbedarf der Europäer zur Sicherung und Verwahrung gegen weitere russische Machtansprüche.

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Europa braucht ein deutliches Signal

Deshalb ist der Pariser Gipfel richtig. Gerade jetzt muss von ihm ein Signal der Einigkeit auch in der Nato gegen eine Einigung der Großmächte zulasten des alten Kontinents ausgehen. Dies wird zwingend mit einem selbstbewussten Auftritt des wirtschaftlich starken Marktes verbunden werden müssen. Und es wird auch Investitionsentscheidungen zum Beispiel bei Rüstungsgütern aus den USA betreffen. Dies gilt vor allem dann, wenn diese Rüstungsausgaben wie von Trump vorgeschlagen generell gekürzt werden sollen. Schließlich kann eine Rückkehr Russlands an den G-8-Tisch eines Weltwirtschaftsgipfels eine Option für Europas Interessen sein.

Alles jedenfalls ist besser als jene Schockstarre mit Aufrüstungsschreierei, die auf der Münchner Sicherheitskonferenz gegen die Unverschämtheiten des US-Vizepräsidenten zu sehen waren. Dessen Chef nämlich gefällt sich als Pragmatiker der Macht ohne Moral. Das wird er auch gegenüber einem starken Europa tun. Hilfsweise erinnern die Europäer Trump an das Zitat des Franzosen De Talleyrand auf dem Wiener Kongress 1814/15: „Hochverrat ist eine Frage des Datums.“ Er sprach es an den russischen Zaren Alexander I.