Der mutmaßliche Anschlag in München erschüttert Deutschland in einer hochsensiblen Phase. Nur acht Tage vor der Wahl lösen die Bilder aus der bayrischen Hauptstadt starke Emotionen aus: Entsetzen, Traurigkeit, Anteilnahme, Wut. Aber auch Unsicherheit und Misstrauen breiten sich aus. Die Tat kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Debatte über Migration, Abschiebepolitik und Sicherheit ohnehin hitzig geführt wird.
Die Medien bemühen nun Extremismus- und Terror-Experten, um Antworten zu finden. Im Fokus steht die Frage, ob es eine Erklärung für die Häufung der jüngsten Anschläge und Amoktaten in Deutschland gibt. Leider nein, heißt es. Viele Annahmen bewegen sich im hypothetischen Bereich. Die einzige Gemeinsamkeit der Taten ist, dass viele Menschen verletzt oder getötet wurden.
Die Hintergründe sind sehr unterschiedlich, genauso wie die Täter. Es gibt keinen typischen Fall. Zwar handelt es sich in München auch um einen abgelehnten Asylbewerber. Anders als in Aschaffenburg oder Solingen war der mutmaßliche Täter allerdings nicht ausreisepflichtig, er war geduldet, besaß eine Arbeitserlaubnis und war zuvor nicht als Extremist oder Straftäter aufgefallen.
Dennoch erweckt jede einzelne dieser blutigen Taten den Eindruck, als ergäben sie zusammen eine kausale Kette. Die AfD, ohnehin bereits im Aufwind, nutzt den Anschlag, um ihr Narrativ zu stärken, indem sie die Angst vor migrantischer Gewalt weiter schürt.
War der Täter ein „Schläfer“?
Doch welche Rolle spielt die These von einem „Schläfer“? Der Boulevard beruft sich auf Ermittlerkreise, die spekulieren, dass der afghanische Täter jahrelang in Deutschland gelebt hat, bevor er bewusst zuschlug. Dies würde bedeuten, dass er als stiller Akteur einer größeren Struktur diente und auf einen bestimmten Zeitpunkt wartete, um aktiv zu sein.
Doch wie wahrscheinlich ist das? Schläferzellen sind tatsächlich ein bekanntes Muster aus früheren Anschlagsserien. Allerdings sind die meisten „Schläfer“ in der Vergangenheit durch direkte Verbindungen zu terroristischen Organisationen identifizierbar gewesen. Bislang gibt es in diesem Fall keine gesicherten Hinweise auf ein Netzwerk oder eine Anweisung.
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Offen bleibt also, ob der Täter sich spontan radikalisiert hat – etwa getrieben durch online verbreitete Ideologien oder persönliche Krisen oder ob er jahrelang auf einen Anschlag wartete. Hier bedarf es einer faktenbasierten Ermittlung.
Die Tragödie von München ist in jedem Fall mehr als ein Einzelfall. Sie fügt sich in eine Serie von Gewalttaten ein, die Deutschland zunehmend belasten und Unsicherheit schüren. Acht Tage vor der Wahl stehen die Wählerinnen und Wähler vor einer Entscheidung, die die politische Zukunft Deutschlands bestimmen wird. Nicht nur das. Es geht auch darum, ob Deutschland in dieser Krise die Ruhe bewahrt oder sich von der Angst steuern lässt.