Meinung

Der Gaspreis hat gesellschaftliche Sprengkraft

Die Verbraucherpreise klettern auf ein Zwei-Jahres-Hoch. Ein gefährliches Problem, für das es keine einfachen Lösungen gibt, meint unser Autor.

Blick auf einen Gasspeicher: Die hohen Preise belasten die Verbraucher. | © picture alliance/dpa

Andreas Niesmann
12.02.2025 | 12.02.2025, 16:50

In der Geschichte der Menschheit hat kaum etwas so viele Herrscher gestürzt wie der Brotpreis. Schon die römischen Machthaber wussten um die beruhigende Wirkung von Brot (und Spielen), ein Preisschock beim Mehl mündete in der Französischen Revolution, und auch der Arabische Frühling hatte seinen Ausgang in Protesten gegen massiv gestiegene Preise für Grundnahrungsmittel.

Dass dieses Prinzip nicht nur in armen Gesellschaften funktioniert, wo höhere Lebensmittelpreise potenziell Hungersnöte auslösen, zeigt der Wahlerfolg Donald Trumps in den USA. Und auch die Verbraucher in Deutschland haben in den vergangenen Jahren unter der Teuerung gelitten. Das gilt für Lebensmittelpreise, es gilt aber noch viel mehr für Energie.

Vor allem der Gaspreis bereitet Experten Sorge. Nachdem er infolge der russischen Invasion in die Ukraine erst in Rekordhöhen gestiegen und zwischenzeitlich gefallen ist, zieht er nun wieder spürbar an. Das höchste Verbraucherpreisniveau seit knapp zwei Jahren melden Vergleichsportale. Es zeigt sich, dass die Abkehr vom billigen sibirischen Pipelinegas nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Endkunden einen Preis hat.

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Realitätsverweigerung bei AfD und BSW

Wer nun – wie die Populisten von AfD und BSW – Verhandlungen über eine Wiederaufnahme russischer Gas-Lieferungen fordert, macht sich zum nützlichen Idioten Wladimir Putins. Allein die Idee, sich nach den Erfahrungen des Jahres 2022 erneut in die Abhängigkeit des Kremls-Herrschers zu begeben, zeugt von Realitätsverweigerung – oder Verblendung. Es gibt auch in dieser Frage keine einfachen Lösungen.

Gaspreis steigt weiter: Verbraucher könnten Opfer des Energiepokers werden

Kurzfristig wird den Deutschen kaum anderes übrig bleiben, als die höheren Preise zu bezahlen. Mittelfristig könnte das Hochfahren der heimischen Förderung Linderung verschaffen. Und langfristig muss Deutschland Abschied nehmen vom Gas, auch wenn das nach dem Ausstieg aus Kernkraft und Kohleverstromung nicht leicht wird.

Wer kann, ist gut beraten, schon jetzt in alternative Heizsysteme zu investieren. Die Wärmepumpe mag über den Streit um das verkorkste Heizungsgesetz der Ampel in Verruf geraten sein, der Technologie aber gehört die Zukunft. Zwar hängen die Kosten des für den Betrieb nötigen Stroms mittelbar auch am Gaspreis, aber Wärmepumpen sind verbrauchsärmer. Wer eine besitzt, muss außerdem nicht mehr über die steigenden Netzentgelte nachdenken.

Die Politik steht vor einer noch viel wichtigeren Aufgabe: Sie muss den Preisschock abwenden, der 2027 mit dem Start des europäischen Emissionshandels ETS2 droht. Die derzeit erwarteten Preise von 200 Euro und mehr je Tonne CO2, die auf die ohnehin schon hohen Gaspreise umgelegt werden, haben politische und gesellschaftliche Sprengkraft. Durch ein Scharfstellen des Emissionshandels ohne Einführung des versprochenen Klimageldes würde der Gaspreis endgültig zum Brotpreis der westlichen Gesellschaft. Das kann niemand wollen.