Flüchtlinge und Bürgergeldempfänger: Nicht nur über sie, sondern mit ihnen sprechen!

Auch an Weihnachten verstummten die Rufe nach Rückkehr der syrischen Flüchtlinge nicht. Diesmal war es der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, der betonte, sie müsse &bdquo;die Regel sein“. Wer bleiben wolle, der könne sich um dauerhaften Aufenthalt bewerben. Der Hinweis ist im Prinzip legitim. Das Recht auf Asyl hat Grenzen. Man kann allerdings bezweifeln, ob der Zeitpunkt klug gewählt ist. Lindner und anderen, die sich noch früher ähnlich äußerten, hätte eine Schamfrist bis zum Jahresbeginn sicher gutgetan. Keinen Zweifel kann es überdies daran geben, dass im ablaufenden Jahr allzu oft über Menschen gesprochen wurde, die zu den Schwächeren dieses Landes zählen – zu selten aber mit ihnen. Das muss im kommenden Jahr besser werden. Bei den Syrern ist das besonders augenfällig. Sie galten vielen seit Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise als störend. Als Muslime waren sie nicht gern gesehen – zumal, wenn es sich um die sprichwörtlich jungen Männer handelte. Dass der russische Präsident Wladimir Putin mit seinen Bombardements den syrischen Diktator Baschar al-Assad an der Macht hielt, spielte keine Rolle. Dessen Folterkeller wurden geflissentlich ignoriert. Abschiebungen galten zuletzt als legitim. Zuhören schützt vor Klischees Nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes und den Reportagen aus Damaskus lernen die deutschen Fernsehzuschauer plötzlich, was sie bereits vorher hätten lernen können: dass die Flucht der Syrer eine Berechtigung hatte. Die Zustände in dem Land waren für Opfer des Regimes bestialisch. Details waren für jede weihnachtliche Runde zu brutal. Betroffene hätten davon erzählen können. Doch wann kamen sie zu Wort? Wer heute mit Syrern spricht, der erfährt, dass viele eine islamistische Diktatur ähnlich fürchten wie wir – so wie manche den Zuzug weiterer Flüchtlinge fürchten. Zuhören schützt also auch vor Klischees. Mit Ukrainern verhält sich die Sache ähnlich. Gewiss, viele Menschen haben hierzulande schon mal Ukrainer in SUVs gesehen, die nicht auf Flüchtlingselend hindeuten. Die Ukraine war ja auch, anders als Syrien, vor Kriegsbeginn kein armes Land. Trotzdem sagt ein SUV über die Lebensumstände, vor denen Ukrainer flohen, erstmals nichts aus – nichts über die kaputte Energieinfrastruktur in der Heimat, nichts über die Sorge, der älteste Sohn könne früher oder später an die Front geschickt werden. Es ist jedenfalls erstaunlich, dass es bis heute weder eine prominente syrische noch eine prominente ukrainische Stimme in die deutsche Öffentlichkeit geschafft hat. Doch gäbe es sie. Ein entscheidender Grund für das Nicht-Hören Menschen, die ebenfalls kaum gehört werden, sind Bürgergeldempfänger. Gehört werden stattdessen Politiker aus meist sehr gesicherten materiellen Verhältnissen und ohne die Erfahrung von Existenzsorgen. Sie werden gefragt, was Bürgergeldempfängern zuzumuten sei – und was nicht. Würden Sie mal ein Jahr lang mit einem der Bezieher tauschen müssen, fielen einschlägige Einschätzungen vorsichtiger aus. Das Nicht-Hören hat viele Gründe. Einer ist banal, aber entscheidend: Syrer und Ukrainer - es handelt sich insgesamt um etwa zwei Millionen Menschen - dürfen in Deutschland nicht wählen. Bürgergeldempfänger tun es oft nicht, weil sie die Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lebenssituation längst aufgegeben haben. Im Überblick: Nachrichten und Hintergründe zur Bundestagswahl 2025 Dabei ist das Zuhören nicht nur moralisch geboten, sondern auch im Interesse der Mehrheit. Die Reparatur gesellschaftlicher Schieflagen ist oft teurer und langwieriger als ihre Vorbeugung. Und die Sorgen der Randständigen bleiben nicht immer randständig. Irgendwann machen sie sich sozial und politisch bemerkbar – bisweilen in Unruhen und Gewalt. Dann ist es oft längst zu spät.

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