Meinung zum „D-Day“-Papier

Das Lügendebakel verspielt Vertrauen in Demokratie

Das FDP-Schmierentheater um das Ende der Ampel schadet der Demokratie. Dabei brauchen wir demokratische Stimmen in den Parlamenten mehr denn je.

Die FPD um Christian Lindner (m.) demontiert sich selbst, meint unsere Autorin. | © Christoph Soeder/dpa

Carsten Heil
29.11.2024 | 29.11.2024, 16:38

Die FDP zerlegt sich selbst. Das ist für Deutschland sehr bitter, denn die Partei wird eigentlich gebraucht.

Vor lauter Strategie und Raffinesse hat sich die Parteispitze der Liberalen in ein Lügenkonstrukt und Schmierentheater verstrickt, aus dem sie nicht unbeschadet hervorgeht. Ja, es ist richtig und wichtig gewesen, sich angesichts des desaströsen Zustandes der Ampelkoalition auf deren Ende inhaltlich vorzubereiten. Das ist die Spitze ihrer Partei schuldig.

Aber mit Worten wie „D-Day“ und „offene Feldschlacht“ geht das nicht. Politik in einer Demokratie ist kein Krieg. Das mag man noch als Geschmacklosigkeit abtun. Aber diese Geschmacklosigkeit fast zwei Wochen lang zu leugnen und abzustreiten, nachdem Journalisten sie aufgedeckt haben, ist nicht entschuldbar. Das klingt nach AfD-Strategie. Das zerstört die Glaubwürdigkeit der FDP und - schlimmer noch - das Vertrauen in das demokratische System.

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Lindners Betroffenheit war dreist

Denn das lebt von der Verlässlichkeit des politischen Personals. Die lässt die FDP-Spitze vermissen. Schämt euch. Wenn dann noch dazu kommt, dass Parteichef Christian Lindner am Abend des Ampel-Bruchs Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorwirft, die Koalition vorbereitet zerstört zu haben, und selbst die Unschuld vom Lande spielt, ist das schon fast ein Skandal angesichts des Papiers. Denn es ist extrem unglaubwürdig, dass Lindner nicht vom eigenen Zerstörungsplan und dessen Sprache wusste. Auch sein Auftritt entpuppt sich als Schmierentheater.

Der Rücktritt von Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ist deshalb folgerichtig. Doch selbst dessen 45-Sekunden-Erklärung dazu klingt sehr verlogen. Als Parteimanager und Generalsekretär muss er informiert und wahrhaftig sein. Er habe „unwissentlich falsch informiert“, als er die Formulierungen leugnete, sagte er. Wer soll das denn glauben? Die Parteispitze tagt wiederholt zum Zustand und möglichen Ende der Ampel und kennt das eigene Papier dazu nicht? Nun richtet sich der Fokus auf den Vorsitzenden Christian Lindner selbst. Wenn der sich im Amt halten kann, dann nur, weil die Alternative fehlt. Keine gute Voraussetzung für einen erfolgreichen Bundestagswahlkampf.

Und das ist bitter für Deutschland. Denn inhaltlich gehört die Haltung der Liberalen, gehören die Ideen der FDP in den politischen Diskurs. Bevor der Staat noch mehr Steuern einnimmt, erst mal zu schauen, wo er auf Ausgaben verzichten kann, ist dringend nötig. Eine Stimme für Industrie und Mittelstand in der Politik zu hören, ist wichtig. Gegen AfD und BSW braucht es jede demokratische und argumentative Kraft. Häme über das FDP-Desaster ist deshalb nicht angebracht, selbst wenn man deren Programm nicht teilt. Empörung schon. Aber es geht um mehr als das Schicksal einer kleinen Partei.

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