
Im Alten Testament schickte man Schafböcke, die symbolisch mit allen möglichen Sünden beladen wurden, in die Wüste. Eine recht praktische Einrichtung für Sünder. Aber das ist lange her. Heute gibt es dafür die Ampel.Auf ihrem Weg in die Wüste – also die Bundestagswahl im kommenden Jahr – hängt man der Berliner Regierung inzwischen alle möglichen Versäumnisse an den Hals. Das fällt kaum auf, weil sowieso alle gern über die Ampel stöhnen. Und es ist recht praktisch für all jene, die sonst selbst Verantwortung übernehmen müssten.
Jetzt also die deutsche Wirtschaft. Sie wird auch in diesem Jahr wieder schrumpfen. Nach dem Rückgang des Wirtschaftswachstums um 0,3 Prozent 2023 sagen die Institute in ihrem Herbstgutachten für dieses Jahr ein Minus von 0,1 Prozent voraus. Erst 2025 soll die Wirtschaftsleistung wieder um 0,8 Prozent zulegen – deutlich weniger, als für die übrigen EU-Staaten erwartet wird und viel weniger als in den USA oder Asien.
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Wer hat’s verbockt? Die Ampel! Das wäre praktisch – aber falsch. Die deutschen Autobauer haben sich auf ihrem wichtigsten Absatzmarkt China massiv verschätzt und bleiben auf Verbrenner-Modellen sitzen, während China den eigenen Markt und die Welt mit Elektroautos flutet. Der deutsche Maschinenbau, die wichtigste Säule unserer exportorientierten Wirtschaft, hat unterschätzt, in welchem Maße die gestiegenen Zinsen die weltweiten Investitionen seiner Kunden bremsen. Zusätzlich schwächen ein Mangel an Innovationen, mäßige Geschwindigkeit und Qualitätsprobleme deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Der Verlust von Arbeitsplätzen ist die zwangsläufige Folge. Die Deutschen werden vorsichtig – die Sparquote steigt, der Konsum geht zurück.
Verantwortung für die Wirtschaft tragen die Wirtschaftslenker selbst
Natürlich, die Politik kann Bürokratie abbauen, für bessere Rahmenbedingungen und eine bessere Grundstimmung sorgen. Psychologie sei die halbe Miete, heißt es. Aber Psychologie baut kein bezahlbares deutsches Elektro-Auto und keine Waschmaschine, die so lange hält, wie es ihr Premium-Preis verspricht. Die Verantwortung für die Wirtschaft tragen zunächst die Wirtschaftslenker selbst. Wenn’s gut läuft, schicken sie der Regierung schließlich auch keine Blumen.
Mittelfristig allerdings kommt es doch auf Berlin an. Wenn die Exportwirtschaft absehbar weiter unter Druck bleibt, muss die Binnenkonjunktur die deutschen Verluste im Ausland auffangen. Dafür bedarf es massiver Investitionen der öffentlichen Hand in die Infrastruktur. Das Geld dafür kann man sich jetzt leihen – oder in einem Jahr in der Wüste ein Denkmal der Schuldenbremse besichtigen.
Gleich neben dem Gerippe des Sündenbocks.