Europäische Freizügigkeit in Gefahr? Die Schattenseiten der Grenzkontrollen
Während Olympia gibt es erneut Kontrollen an der deutschen Außengrenze. Diesmal zu Frankreich. Unser Autor findet: Das bringt nicht nur Sicherheit, sondern ist auch durchaus tückisch.
Nancy Faeser hat eine Entscheidung gefällt, die ins Bild passt. Die Bundesinnenministerin ordnete befristete Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze an. Sie will während der Olympischen Spiele in Paris für mehr Sicherheit sorgen. Die Anordnung der SPD-Politikerin ist naheliegend und vor allem für Frankreich nützlich. Doch sie ist, wenn man den Gesamtprozess betrachtet, auch tückisch.
Zunächst gab es Kontrollen an der Grenze zu Österreich. Sie wurden mit irregulärer Migration begründet. Aus dem gleichen Grund folgten Kontrollen zur Schweiz, Polen und Tschechien. Wegen der Fußball-Europameisterschaft wurden zuletzt alle Außengrenzen überwacht.
Unterdessen gehen die Kontrollen zu Österreich, der Schweiz, Polen und Tschechien bis zum 11. November weiter und werden anschließend vermutlich erneut verlängert. Ja, längst steht die Forderung im Raum, sie zu entfristen, bis das gemeinsame Europäische Asylsystem greift. Doch wenn es nicht greift: Was dann?
Damit wird klar, wohin die Reise geht. Galt die Freizügigkeit innerhalb des Schengen-Raums lange Zeit als herausragende Errungenschaft, so verändert sich die Logik nun ebenso schleichend wie grundlegend. Vorherrschend ist neuerdings das nationale Interesse.
Dieser Prozess geht keineswegs zufällig einher mit dem Erstarken nationalistischer Parteien. Parteien der bürgerlichen Mitte reagieren darauf, darunter die FDP, deren langjähriger Außenminister Hans-Dietrich Genscher für das Gegenteil gekämpft hat.
Sicher ist es erstrebenswert, irreguläre Migration und das Geschäft von Schleusern zu unterbinden sowie gleichzeitig ganz normale Kriminelle zu fassen. Doch geben wir damit auch etwas preis: das grenzenlose Europa, eine der wenigen Utopien, die zumindest zeitweilig Wirklichkeit geworden ist.