Kommentar

Bundeshaushalt und Demokratie: Ohne Kompromisse wird es nicht gehen

Eine Regierung aus drei extrem unterschiedlich aufgestellten Parteien wird es immer schwer haben, sich zu einigen. Das wird aber die politische Realität in Deutschland werden, denn für Parteien eines ideologischen Lagers könnten die Mehrheiten nicht mehr reichen.

Demokratie ist immer das Ringen um Kompromisse: Bundeskanzler Olaf Scholz (r., SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne, M.) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) treffen sich unter sechs Augen. | © picture alliance/dpa

Carsten Heil
24.06.2024 | 24.06.2024, 16:06

Und jährlich grüßt das Murmeltier. Weil der Bundeshaushalt die Nagelprobe für eine Regierungskoalition ist, herrscht rund um dessen Beratung besondere Aufregung. Und ein Etat muss jährlich neu aufgestellt und beschlossen werden. So auch in diesem Jahr für 2025. Nun haben sich die politischen Verhältnisse und Mehrheiten in Deutschland indes deutlich verändert. Das hat zu einer Dreier-Koalition geführt.

Wenn ideologisch so unterschiedliche Parteien wie SPD, Grüne und FDP eine Ampel-Koalition bilden, ist es nicht überraschend, wenn es um den Haushalt „Diskussionsbedarf“ oder sogar „Streit“ gibt. Deshalb muss eine Regierung nicht gleich vor dem Ende stehen.

Auch in der Traumkoalition der Bürgerlichen von Union und FDP ging es einst ruppig zur Sache („Gurkentruppe“ warf man sich an den Kopf). Demokratie ist immer das Ringen um Kompromisse. Genau das ist ihre Stärke und kein Makel. Es ist kein Durchregieren, keine Politik der Alternativlosigkeit, sondern immer die Frage: Könnte die andere Seite mit ihren Ansätzen vielleicht genauso recht haben und auch gute Vorschläge auf den Tisch legen?

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Diese Bereitschaft muss in Wort und Tat allerdings vorhanden sein, sonst ist eine Regierung am Ende. Diese Bereitschaft ist entscheidend. Vermutlich deshalb trifft sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) unter sechs Augen. Nicht in großer Runde. Um diese Bereitschaft und Vertraulichkeit zu erhalten. Egal, was irgendjemand auf dem Marktplatz herausposaunt hat oder ob es eine Mitgliederbefragung in der SPD gibt. Die hat es in der FDP in dieser Legislatur übrigens auch schon gegeben. Das gehört zum demokratischen, anstrengenden Prozess.

Das BSW gleicht einem Fischkutter, der leicht in schwere See geraten kann

Die Wählerinnen und Wähler haben es so gewollt. Nach Jahren der Großen Koalition, die übrigens zahlreiche Fehler gemacht hat, und einem Denkzettel für die Union, kam die Ampel zustande. Ein kompliziertes Dreierbündnis. Wenn das im Bund nicht funktioniert, werden Regierungsbildungen nach den Landtagswahlen im Osten noch schwieriger. Schon wird dort über ein Bündnis zwischen CDU und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) schwadroniert, weil es angesichts der AfD-Stärke und SPD-Schwäche nicht mal mehr für Schwarz-Rot reicht. Viel Spaß.

Das BSW gleicht dabei einem Fischkutter, der in der einen Frage ganz weit links seine Netze auswirft und in der anderen ganz weit rechts. Und der leicht in schwere See geraten kann. Dennoch wird man auch dort demokratische Mehrheiten und Kompromisse finden müssen. Wenn es denn eine grundsätzliche Bereitschaft gibt und den Willen zur Zusammenarbeit. Die Wählerinnen und Wähler erwarten aber Lösungen, gern nach Diskussionen, aber nicht nach Gezanke.