
Von der FDP-Spitzenkandidatin zur Europawahl am kommenden Sonntag weiß man, dass sie begeisterte Motorradfahrerin ist. Wenn Marie-Agnes Strack-Zimmermann allerdings das Zweirad so führt wie ihren Wahlkampf, muss man sich Sorgen um sie machen – und, was schlimmer ist, um die Sicherheit ihrer Partner. Das gilt immer stärker nicht nur für jene im Straßenverkehr, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger, auf deren verantwortungsvolle politische Vertretung Politikerinnen und Politiker aller Parteien verpflichtet sind. Auch Frau Strack-Zimmermann.
Man mag der Liberalen zubilligen, dass sie angesichts ihres bevorstehenden Wahl-Desasters zum Europaparlament mit gewagten politischen Vorstößen besondere Aufmerksamkeit auf sich lenken möchte. Dass sie dafür den Bundeskanzler angreift und ihm vorwirft, er sei ein „krasser Rechthaber“ mit „geradezu autistischen Zügen“, mag man gerade noch durchgehen lassen, auch wenn man die Benutzung von solchen Bildern im politischen Streit schon für problematisch halten muss.
Wenn es allerdings nun darum geht, eine bislang demokratisch legitimierte Debatte, um die richtige Strategie gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mit einer Aktivierung von nahezu einer Million Bundeswehr-Reservisten zu eskalieren, dann ist eine Grenze erreicht; die Grenze der Unerträglichkeit. Was folgt als Nächstes? Die Forderung nach einer Generalmobilmachung? Die Forderung nach einem Einmarsch in Russland? Die Forderung nach dem Raketen-Einsatz auf Moskau? Geisterfahrerei ist kein politisches Konzept, sie ist brandgefährlich. Auf der Straße wie in der Politik.
Scharfmacher wie Hofreiter oder Strack-Zimmermann
Der Streit um den richtigen Weg gegen die russische Aggression ist richtig. Scharfmacher wie Strack-Zimmermann oder der Grüne Anton Hofreiter denunzieren diesen wichtigen und richtigen, aber demokratischen Streit. Sie bewirken damit nichts. Weder für die Stärkung der Ukraine, noch dafür, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Darauf aber sind sie durch ihr Mandat im Bundestag per Verfassung verpflichtet.
Die Radikalität der Scharfmacher à la Strack-Zimmermann und Hofreiter ist indes im Gegenteil gefährlich für die demokratische Republik, weil sie deren Streitkultur in Richtung absolutistischer Rechthaberei verschiebt. Zusätzlich setzt sie die Einheit des europäischen Handelns gegen den Kriegsverbrecher Putin aufs Spiel und liefert damit rechtskonservativen und auch rechtsradikalen, anti-europäischen Parteien Futter für eine Renationalisierung der Politik in der Europäischen Union.
Das ist unerhört und ungehörig. Es erfordert das klare Stopp-Signal der demokratischen Wähler an diese Scharfmacher auch im Wahlkampf: Es reicht!