Kommentar

AfD in Turbulenzen: Das Schmuddelkind unter den Rechten

Die Skandale um die Europaabgeordneten der Rechtspartei haben dazu geführt, dass sich selbst die rechten Schwesterparteien in Europa abwenden. Das ist auch auf mangelnde Führung und den Einfluss des Höcke-Flügels zurückzuführen.

Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla. | © Bernd von Jutrczenka

Carsten Heil
23.05.2024 | 23.05.2024, 21:09

Wenn die deutsche AfD schon den rechtsnationalistischen Partnerparteien in Europa zu weit rechts und zu skandalträchtig ist, kann das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster von vergangener Woche nicht so falsch gewesen sein. Das hatte dem deutschen Verfassungsschutz erlaubt, die AfD als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ einzustufen und zu beobachten.

Denn nun trennen sich die europäischen Rechtsparteien aus Frankreich und Italien von der Zusammenarbeit mit der AfD im Europaparlament, kurz vor der EU-Wahl. Mehrere Medien berichten, dass das Präsidium des Parlamentszusammenschlusses „Identität und Demokratie“ beantragt hat, alle AfD-Mitglieder auszuschließen. Die haben dann keinen Fraktionsanschluss mehr. Die AfD ist sogar unter den europäischen Rechten das Schmuddelkind geworden. Vor allem AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah und der Zweite auf der Liste Petr Bystron sorgen für Ärger. Beide dürfen schon gar nicht mehr im Wahlkampf auftreten. Eigentlich ein Unding.

Die Französin Marine Le Pen, starke Frau beim Rassemblement National, hatte schon nach dem jüngsten Interview von Krah erklärt, dass sie nicht mehr mit der AfD kooperieren wolle. Das ist ein Schlag ins Gesicht der AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla. Denn Le Pen wirft vor allem Weidel vor, die Partei nicht zu führen. Es sei Zeit, den Bruch mit dieser Partei zu vollziehen, die keine Führung habe und unter dem Einfluss radikaler Kräfte stehe, so die rechtsnationale Französin. Erst im Winter hatten sich Le Pen und Weidel in Paris getroffen, um Missstimmungen unter den europäischen Rechten auszuräumen.

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Das, so wissen wir heute, hat wohl zu nichts geführt. Dem AfD-Vorstand ist es nicht gelungen, Ordnung in die eigene Partei zu bringen. Der völkisch-nationalistische Flügel um den Rechtsextremen Björn Höcke, zu dem auch der umstrittene Krah gehört, hat so viel Macht in der Partei, dass der Vorstand um Weidel und Chrupalla nicht den Mumm oder nicht die Kraft hat, sich dagegen zu behaupten. Das ist nicht das erste Mal der Fall. Auch Vorgänger Jörg Meuthen wurde vom „Flügel“ aufgerieben, sodass er schließlich aufgab. Parteimitbegründer Bernd Lucke und Nachfolgerin Frauke Petry erging es nicht besser. Alles kein Grund zur Hoffnung für normale Demokraten.

Wenn weiter 14 bis 15 Prozent der Menschen in Deutschland das rechtsextreme Gedankengut der AfD teilen, ist Besserung nicht in Sicht. Diese Anteile der Bevölkerung würden vermutlich den Artikel 1 des Grundgesetzes nicht unterschreiben: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und auch nicht Artikel 3: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Deshalb hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Festakt zum 75. Geburtstag unseres Grundgesetzes recht. Es ist ein großes Geschenk, muss aber verteidigt werden.