Kommentar

Der ESC ist politisch, auch wenn er das nicht sein möchte

Die Polizei in Malmö befürchtet, dass die politische Weltlage Schweden beherrscht. Doch gerade jetzt haben die Menschen die Gelegenheit, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu erzeugen.

Schwerbewaffnete Polizisten sollen am Rande des ESC in Malmö sichtbares Zeichen für die erhöhte Vorsicht der Einsatzkräfte sein. | © picture alliance / TT NEWS AGENCY | Johan Nilsson/TT

Jemima Wittig
04.05.2024 | 04.05.2024, 09:00

Der Eurovision Song Contest will unpolitisch sein. Und gleichzeitig so politisch korrekt, dass unser Teilnehmer aus Espelkamp im Kreis Minden-Lübbecke, Isaak Guderian, das Wort „Fuck“ aus seinem Lied „Always on the Run“ streichen musste. So sehr der Veranstalter aber darauf besteht, letztlich ist nichts unpolitisch. Schon die Entscheidung, dass Israel in diesem Jahr teilnehmen darf, ist eine politische. Russland wurde 2022 schon einen Tag nach dem Angriff auf die Ukraine ausgeschlossen. Nun wird der ESC auch sichtbar von der aktuellen Politik geprägt.

In Malmö, wo der ESC in diesem Jahr stattfindet, werden von der Polizei derzeit scharfe Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Es gibt die Sorge, dass das Vorgehen Israels im Gazastreifen den ESC überschattet. Verständlich, wenn man bedenkt, dass es Boykottaufrufe gegen Israels Teilnahme gibt. Mehrere Demonstrationen - allerdings auch proisraelische - sind in Malmö während des ESC angemeldet.

Die Sängerin Eden Golan wird Israel in Malmö vertreten. Ihr Songtext musste nach Kritik an seinem als zu politisch gewerteten Inhalt überarbeitet werden. Ihr Sicherheitsdienst hat ihr geraten, wenn möglich im Hotelzimmer in Malmö zu bleiben.

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Israel verschärft Reisewarnung für Malmö

Israel hat am Donnerstag seine Bürger vor Reisen in die südschwedische Stadt gewarnt. Die Reisewarnstufe für Malmö wurde von zwei auf drei heraufgestuft. Ein ebenso verständlicher Schritt, da es die Sorge gibt, dass „terroristische Gruppierungen die israelfeindliche Stimmung“ in Schwedens drittgrößter Stadt ausnutzen könnten, um israelische ESC-Besucher anzugreifen.

Gegen freie Meinungsäußerung bei Demonstrationen ist nichts einzuwenden. Aber die Demonstrierenden dürfen den Konflikt nicht nach Malmö holen. Stattdessen sollten sie sich das ESC-Motto „United By Music“ zu Herzen nehmen und ausschließlich verbal ihre Meinung kundtun. Mit dem Konflikt zwischen Israel und der Hamas und dem Krieg in der Ukraine haben wir bereits zu viel Gewalt. Das Umfeld für einen solchen Wettbewerb, der unpolitisch sein will, ist so schwierig wie lange nicht, darum ist gerade jetzt der Urgedanke des ESC, die Völkerverständigung, wichtiger denn je.

Nicht nur für unseren ostwestfälischen Teilnehmer ist zu hoffen, dass der ESC so emotional, mitreißend und schrill wird wie offiziell geplant. Auch für Eden Golan. Sie ist zwar Vertreterin ihres Landes, kann aber persönlich nichts für den Konflikt und darf darum nicht persönlich angegangen werden. Der ESC muss gerade in diesem Jahr ein Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen. Auch politisch. Dafür ist jeder vor Ort gefragt.