In Deutschland nehmen sich knapp 10.000 Menschen im Jahr das Leben. Es sterben damit etwa dreimal so viele Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle. Jahrzehntelang hat die Gesellschaft das mehr oder weniger achselzuckend zur Kenntnis genommen – nicht aus fehlender Empathie, sondern aus einem Gefühl der Hilflosigkeit. Erst die Debatte über die Sterbehilfe und die Selbstmorde Prominenter haben zu einem Umdenken geführt. Es kann, es muss etwas getan werden, um die Zahl der Suizide zu senken.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig: Drei Viertel aller Suizide entfallen auf Männer, wobei die Rate bei beiden Geschlechtern mit dem Alter zunimmt. Deshalb ist es sinnvoll, sich auf diese Hochrisikogruppen zu konzentrieren und das auszubauen, was mit dem englischen Begriff „awareness“ gut beschrieben wird: Insbesondere die Fachkräfte im Gesundheitswesen und der Pflege müssen besser geschult werden, um Signale der seelischen Not zu bemerken und professionelle Hilfsangebote zu vermitteln.
Dazu gehört mindestens ein bundesweit rund um die Uhr verfügbarer telefonischer Krisendienst. Und weil in vielen Fällen erst die Gelegenheit zum Suizid führt, gehören zu einer Präventionsstrategie auch Maßnahmen wie die Verkleinerung der Packungsgrößen von Schmerzmitteln oder ein besonderer Schutz bei Bauwerken. Es ist gut, dass sich mit Karl Lauterbach endlich ein Gesundheitsminister des Themas angenommen hat. Seinen Ankündigungen müssen nun aber auch Taten folgen.
Sterbehilfe als Teil einer Präventionsstrategie
Nicht zuletzt muss auch ein liberales Recht zur Inanspruchnahme der Sterbehilfe Teil einer Präventionsstrategie sein. Allein die Möglichkeit, selbstbestimmt und würdevoll der eigenen Existenz ein Ende setzen zu können, kann Menschen neuen Lebensmut geben. Es bleibt zu hoffen, dass im Bundestag bald ein neuer Anlauf für eine entsprechende Reform unternommen wird.
INFORMATION
Hier bekommen Sie Hilfe
Generell berichten wir nicht über Selbsttötungen, es sei denn, es gibt besondere Gründe für eine erhöhte Aufmerksamkeit. Wir halten uns möglichst zurück, da es bei Suiziden eine hohe Nachahmerquote gibt.
Sollten Sie sich von besonderen Lebensumständen betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie 24 Stunden am Tag Hilfe und Beratung.