Kommentar

Sozialpolitik der CDU: Zu kurz gesprungen

Die neuen Vorschläge der Union zur Grundsicherung gehen in die richtige Richtung. Sie vernachlässigen aber das obere Viertel der Gesellschaft und tragen damit zur Spaltung des Landes bei. Wer bei Bedürftigen kürzt, muss Vermögende mit ins Boot holen.

Die CDU will das Unterstützungssystem des Bürgergeldes nach einem Sieg bei der Bundestagswahl 2025 radikal umbauen. | © Monika Skolimowska

Carsten Heil
18.03.2024 | 18.03.2024, 19:03

„Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.“ So steht es schon im Neuen Testament der Bibel im Thessalonicher-Brief. Entscheidend ist bis heute das Wort „will“. Wer bewusst Arbeit verweigert und/oder größere Ersparnisse hat, kann auch keinen Anspruch darauf haben, vom Staat und damit von der Solidargemeinschaft unterhalten zu werden. Das Geld der Solidargemeinschaft kommt von denjenigen, die eifrig arbeiten, oft trotz eigener Gebrechen und mit eigenen Schwierigkeiten.

Das hat die CDU bei ihrer „Neuen Grundsicherung“ als Gegenentwurf zum „Bürgergeld“ der Ampel-Koalition zugrunde gelegt. Und das ist als Prinzip grundsätzlich richtig. Das war auch Kern der Hartz-IV-Reformen der SPD-Grünen-Regierung vor gut 20 Jahren. Zwar haben die Reformen mit zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands der vergangenen Jahre beigetragen, aber der SPD schweren politischen Schaden zugefügt. Entsprechend versuchen die Sozialdemokraten, sich davon mittels des Bürgergeldes mit deutlich lockeren Auflagen zu distanzieren. Das ist nachvollziehbar, aber falsch. Auch die Union will die Hilfe für Bedürftige oder gar den Sozialstaat nun nicht abschaffen, wie es das Gezeter von SPD und Grünen dazu vermuten ließe. Aber sie will mehr Aktivität und Mitmachen von Beziehern öffentlicher Leistungen bei dem Versuch, Arbeit zu finden. Ganz im Sinne der Agenda 2010 von Rot/Grün. Das ist insgesamt richtig und im Ansatz der Union auch nicht unsozial.

Lesen Sie auch: Wie die CDU das Bürgergeld umbauen will – und wie umsetzbar die Ideen sind

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Nur nicht in jedem einzelnen Fall. Da kommt das Prinzip an seine Grenzen. Denn das Prinzip kann nicht jedem Einzelfall gerecht werden. Die Union ist dennoch auf dem richtigen Weg. Allerdings ist es gesamtgesellschaftlich ein Fehler, nur nach unten zu schauen. CDU/CSU - und auch die FDP - wären mit ihrem Grundsicherungsvorstoß deutlich glaubwürdiger und würden dem Staat eine bessere Zukunft verschaffen, wenn sie gleichzeitig bei Aktien- und Immobilienprofiteuren sowie Erben für die Solidargemeinschaft deutlich mehr abschöpften. Aktien und Immobilienwerte steigen seit Jahren ohne eigene Leistung. Da könnten die Gewinner etwas abgeben. Corona und Inflation haben das untere Drittel deutlich stärker getroffen als das obere. Es geht um die zunehmende Ungleichheit in der Gesellschaft, die zu deren Spaltung beiträgt. Nur bei den Benachteiligten zu sparen, ohne die Vermögenden heranzuziehen, führt in politische Unsicherheit. Diese Einseitigkeit ist die große Schwäche des CDU-Vorschlages zur „Neuen Grundsicherung“.