Kommentar

Steinmeiers Besuch in Espelkamp: Das sind die Lehren

Der Bundespräsident hat Espelkamp drei Tage besucht, Gespräche geführt und seinen Amtssitz hier vorübergehend aufgeschlagen. Dabei ist eins deutlich geworden, meint unser Autor.

Immer wieder stellte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Espelkamp dem Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern. | © Thorsten Ulonska

Matthias Bungeroth
14.03.2024 | 14.03.2024, 17:27

Als Frank-Walter Steinmeier nach seiner Wiederwahl zum Bundespräsidenten im Februar 2022 gefragt wurde, was denn die zentralen Themen seiner zweiten Amtszeit sein würden, musste er nicht lange überlegen. Die Stärkung der Demokratie und die Überwindung gesellschaftlicher Spaltungen seien weiter mit die wichtigsten Ziele, war die Antwort.

Der gebürtige Lipper blickte seinerzeit in einigermaßen ratlose Gesichter. Wie sollte man aus diesen Botschaften Schlagzeilen generieren, fragten sich die Kolleginnen und Kollegen. Heute, fast genau zwei Jahre später, wissen wir alle: Unsere demokratische Grundordnung muss derzeit wohl die härteste Bewährungsprobe seit dem Zweiten Weltkrieg bestehen. Der Bundespräsident liegt mit seinem Zielen genau richtig. Leider, möchte man hinzufügen.

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Der dreitägige Besuch des Staatsoberhauptes in Espelkamp lieferte Beispiele dafür, wie man die Demokratie wieder stärken kann, die den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland maximale Freiheit gebracht hat. Das wichtigste darunter ist: Wir müssen wieder mehr miteinander ins Gespräch kommen. In Zeiten, da sich der Diskurs über wichtige Themen wie Zuwanderung, Prosperität, Zukunft der jungen Generation oder soziale Teilhabe zu großen Teilen in Blasen der sozialen Netzwerke abspielt, entwickeln sich Vorurteile und unzulässig schnelle Schlussfolgerungen besonders rasant.

Die Basis für Kompromisse

Die Gespräche, die Steinmeier in Espelkamp mit Schülern, Vertretern der Kommunalpolitik, unterschiedlicher Glaubensrichtungen und zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern auf den Straßen der Stadt geführt hat, zeigen: Demokratie braucht persönlichen Dialog. Heute dringender denn je. Denn er ist die Basis für Kompromisse, ohne die sich unser freiheitliches Staatswesen nicht positiv weiterentwickeln kann.

Um diesen Dialog mit aller Ernsthaftigkeit zu führen, hat Steinmeier die Veranstaltungsreihe „Ortszeit Deutschland“ ins Leben gerufen. Der Besuch in Espelkamp war die zehnte Station. Er hat verdeutlicht, dass sowohl die Politik als auch die Gesellschaft insgesamt von der hier gelebten Debattenkultur etwas lernen können. Denn Sprachlosigkeit und der ausschließliche Rückzug in die Blasen der sozialen Netzwerke würden bedeuten, dass Kräfte die Oberhand gewinnen, die in erster Linie eines wollen: die Abschaffung der Demokratie.

Soziale Spaltung bringt die Demokratie ins Abseits

Das kann im Ernst niemand wollen, denn wenn Populisten regieren, kommt das Diktat der scheinbar einfachen Antworten auf komplexe Entwicklungen. Am Beispiel der USA ist abzulesen, welche Folgen dies haben kann: soziale Spaltung und politische Handlungsunfähigkeit in zentralen Fragen bringen die Demokratie endgültig ins Abseits. Der Besuch Steinmeiers in Espelkamp unterstreicht: Es ist höchste Zeit, den Kampf gegen ein solches Szenario aufzunehmen und konstruktiv zu führen.