„Richtig streiten will gelernt sein“: Diese Tipps gibt Streit-Expertin in Warburg

Warburg. Auf dem Land wird heftig gestritten. In Dörfern und Städten. Wenn es um die großen Herausforderungen geht. &bdquo;Wenn Entscheidungen über gesellschaftliche Themen wie der Ausbau der Windkraft oder die Bewerbung für einen Nationalpark anstehen“, nennt Anna Hollenbeck aktuelle und überstandene Auseinandersetzungen aus jüngster Zeit. In den Diskussionen komme es immer wieder zu persönlichen Angriffen und Beleidigungen. Eine konstruktive Kommunikation zwischen den Gruppen? &bdquo;Häufig nicht mehr möglich“, sagt die Dozentin aus Hardehausen. Der Kurs biete Lösungen an. Der Klimawandel, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die Digitalisierung: &bdquo;Sie gehören zu den Megathemen unsere Zeit“, sagt Hollenbeck. Und sie schürten das Gefühl, in einer besonders schwierigen und bedrohenden Zeit zu leben. In einer brüchigen Gesellschaft, in der kaum noch etwas vorhersehbar sei, spricht sie die Empfindung vieler Menschen im Land an. Zu komplex und alles, was passiert, unbegreiflich. Die Menschen reagieren besorgt und sind ängstlich. &bdquo;Sehen sich nicht mehr als Teil eines Ganzen, sondern leben in einer Blase, einer Bubble“. Dabei neige der Mensch der westlichen Welt zu dramatischen Vereinfachungen, heißt es ergänzend im Internet seitens des Verbandes der Bildungszentren im ländlichen Raum. Wie man den demokratischen Dialog führen und fördern kann Bei dem einen wachse der Frust: &bdquo;Ich verliere den Überblick“, &bdquo;meine Stimme zählt doch nicht“. Anderen stelle sich die Frage, &bdquo;wie kann ich an der Demokratie teilnehmen?“ und wieder anderen gehe es schlicht um Einflussnahme, um Macht, dröselt Hollenbeck auf. Wie in diesem Umfeld die Infoflut sortieren? Wie den demokratischen Dialog führen und fördern? Das Dozententeam der Landvolkshochschule in Hardehausen möchte Vertreter aus Politik und Gesellschaft für das Thema sensibilisieren. &bdquo;Wie kommt man in einer mehr und mehr verrohenden Welt klar“, bringt es Hollenbeck auf den Punkt. 16 Teilnehmende hatten in der vergangenen Woche an einer Schulung für Multiplikatoren teilgenommen. Konflikte konstruktiv lösen: Das Ehrenamt und lokale Vereine einzubinden, schaffe ein Netzwerk, das die Werte von Toleranz und Respekt fördere, sagt Hollenbeck. Wer in einer Blase lebe, bekomme nur dasjenige präsentiert, was er auch hören wolle. &bdquo;Die Infos, die mich als User auf dem Smartphone, dem Computer erreichen, sind einem Algorithmus geschuldet“, spielt Hollenbeck auf den Umgang mit dem Internet und den sozialen Medien an. &bdquo;Kein Wunder, dass die Ängste steigen, wenn sie automatisiert ständig geschürt werden.“ Dessen sollte sich der moderne Mensch bewusst sein, spielt die Dozentin auf die Medienkompetenz an. Andere nutzten dessen Manipulierbarkeit aus. &bdquo;Die Emotionen werden kontinuierlich und immer stärker hochgepuscht.“ Und damit eine Aufarbeitung auf sachlicher Ebene nahezu unmöglich gemacht. Vier Grundsteine für Dialog und Diskurs &bdquo;Wir müssen schlicht die Emotionen beiseiteschaffen“, nennt Hollenbeck die Rezeptur. Die Agrarwirtschaftlerin beschreibt als Methode wichtige Punkte aus einem der gängigen Kommunikationsmodelle der Psychologie. &bdquo;Um zwischenmenschliche Kommunikation besser zu verstehen und Konflikte besser lösen zu können“, erklärt Hollenbeck. Sie zitiert aus der Transaktionsanalyse (TA), die die Entstehung und Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit beschreibt, und nennt vier Grundeinstellungen, unter denen Dialog und Diskurs geführt werden. &bdquo;Ich bin okay, du bist okay“: Die Dialogpartner sehen sich mit ihren Ressourcen, Netzwerken und Bedürfnissen auf gleicher Ebene. Da lasse sich sehr gut diskutieren, sagt Hollenbeck. &bdquo;Ich bin okay, du bist nicht okay“: Bedeute, das Problem liegt bei euch, ihr müsst euch anpassen, nicht ich. &bdquo;Das Prinzip extremer Parteien“, sagt Hollenbeck. Aufgrund des Gefälles sei kein gemeinsamer Nenner möglich. &bdquo;Ich bin nicht okay, du bist okay“: Der Keim für den Glauben, der andere macht das schon, der andere wird es schon richten. Der Glaube an das Führerprinzip. Und &bdquo;ich bin nicht okay, die bist nicht okay“: Menschen mit dieser Einstellung sei alles egal. &bdquo;Sie haben nichts mehr zu verlieren, weil sie mit allem unzufrieden sind, mit sich und den anderen“. Arbeit am Zusammenleben sei notwendig Hollenbeck fordert dazu auf, in den jeweiligen medialen Netzwerken kritisch mit Informationen umzugehen, sich selbst, seiner Lebenswelt und seiner Emotionen bewusst zu werden. &bdquo;Auf welcher Ebene kommuniziere ich? Was will ich eigentlich sagen?“ Vielen sei zudem die Funktion demokratischer Strukturen und Beteiligungsformen nicht klar. &bdquo;Die da oben, die machen doch, was sie wollen“, oftmals das Ergebnis. Aus Unkenntnis fühle man sich ausgeschlossen. Ist die eigene Meinung nicht durchzusetzen, muss der Mensch mit dem zurückbleibenden Frust umgehen. Da sind die Toleranzgrenzen unterschiedlich hoch gesteckt. Unbefriedigte Erwartungen individuell richtig einzuordnen, &bdquo;ist für eine gelingende demokratische Ordnung auch eine Kompetenz“, merkt Hollenbeck an. Dazu die Fähigkeit, sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen. Nicht nur das Individuum zähle, sondern auch die Gesellschaft. &bdquo;Wir“ oder &bdquo;Die da“: Sich Gruppen gegenüber solidarisch oder ausgrenzend zu verhalten, es müsse daran gearbeitet werden, &bdquo;ein Zusammenleben zu haben“. Es brauche Mut zur Selbstkritik Grundlegende Elemente, &bdquo;die in der Demokratie zu fördern sind“, merkt Hollenbeck an. Denn es sei einfach, dumpf einer Führung zu folgen, die allein entscheide, was zu tun oder zu lassen sei. Dies erspare die Mühen der Auseinandersetzung. Das Wissen um die individuellen Informationsnetzwerke, der kompetente Umgang mit Medien und der Demokratie: &bdquo;Bausteine, um ein harmonisches Miteinander zu schaffen, in dem Vielfalt als Bereicherung angesehen wird und jeder sich wohlfühlen kann“, fasst Hollenbeck zusammen. Doch auch alles andere als ein Patentrezept. Das weiß auch die Dozentin aus Hardehausen. &bdquo;Nicht übereinander, sondern miteinander sprechen“, gibt sie den Rat. Und bei sich selbst anzufangen. Dazu brauche es Mut. Es gebe kein anderes Rezept, &bdquo;um uns unseren Zusammenhalt, unsere Demokratie zurückzuholen“. Bei all dem Geschwätz, dem Infomüll und Meinungsquatsch in den sozialen Medien. Plattformen wie X, Instagram, Tiktok, denen Hollenbeck einen negativen Effekt zuspricht, &bdquo;kehren heute viele junge Menschen den Rücken“. Doch fürchtet auch sie, &bdquo;andere sind nur dort unterwegs“.

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