
Nun sind also alle sehr verwundert, dass - wie man früher in Zeiten des alten Kalten Krieges formuliert hätte - der Russe mithört. Zunächst fragt man sich noch irritiert, ob es nur die vermutete typische Luftwaffen-Arroganz oder einfach nur Unfähigkeit ihrer Offiziere war, den Einsatz des Taurus-Marschflugkörpers ungeschützt per Telefon zu diskutieren.
Doch schon im zweiten Zugriff relativiert sich diese Abhöraffäre als Teil typischer, psychologischer Kriegsführung, die zu jedem militärischen Konflikt gehört. Das gilt selbst dann, wenn der Bundeskanzler von einer „sehr ernsten Angelegenheit“ spricht. Auch der deutsche Militärische Abschirmdienst wird in Russland nicht untätig sein.
Interessant ist die innenpolitische Instrumentalisierung des Vorgangs durch die Befürworter einer Taurus-Lieferung an die Ukraine. So spricht die CSU bereits von einem Untersuchungsausschuss. Und CDU-Verteidigungspolitiker Kiesewetter wirft dem Kanzler eine Falschbehauptung vor, wenn er sagt, dass die deutsche Bundeswehr-Beteiligung vor Ort nötig sei.
Deshalb sind Taurus-Lieferungen problematisch
Das allerdings hat Scholz nie gesagt. Der Kanzler hat auf einer Konferenz der Deutschen Presse-Agentur, auf der der Autor dieser Zeilen Augen- und Ohrenzeuge war, gesagt: „Wir dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein.“ Damit bezog sich Scholz unzweifelhaft auf die Beteiligung deutscher Soldaten auch in Deutschland und nicht nur „vor Ort“.
Mit dieser Festlegung liegt der Kanzler richtig. Auch eine Unterweisung ukrainischer Soldaten zur Programmierung der deutschen Taurus-Kriegswaffe in Deutschland bringt die Bundeswehr nahe an eine Kriegsbeteiligung. Selbst wenn die Ukraine verpflichtet würde, die Taurus-Reichweite bei einer selbstständigen Programmierung zu reduzieren, könnte diese Reduzierung auch rückgängig gemacht werden. Wäre aber Moskau für Taurus erreichbar, würde Russlands Präsident Putin nicht nur Kiew dafür verantwortlich machen.
Die deutsche Taurus-Debatte wird deshalb von den Befürwortern einer Lieferung unseriös und unverantwortlich geführt. Dies um so mehr, als die Ukraine derzeit vor allem Munition und noch einmal Munition braucht, um sich zu verteidigen und ihre Stellung gegen den Kriegsverbrecher Putin zu halten.
Noch dringender wäre eine Initiative, die dem Krieg die Waffen nimmt und der Diplomatie zu ihrem Recht verhilft. Es spricht einiges dafür, dass der Weg dazu über China führt. Ohne Unterstützung aus Peking würde Putin dann auf mehr hören müssen als auf abgehörte Luftwaffen-Gespräche.