Kommentar

Das Versagen der Ampel-Koalition in der Wirtschaftspolitik

Die Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft ist ein Problem. Doch weder die FDP noch die Grünen können das Problem alleine lösen, meint unser Autor.

Christian Lindner (l.), Bundesfinanzminister, und Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, müssen endlich zusammenarbeiten, meint unser Autor. | © dpa

Andreas Niesmann
15.02.2024 | 15.02.2024, 20:51

Es kommt nicht allzu häufig vor, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf Anhieb einer Meinung sind. Bei der Beschreibung des Zustands der Wirtschaft aber sind sich der Liberale und der Grüne erstaunlich einig. „Peinlich“ und „gefährlich“ nennt Lindner deren andauernde Wachstumsschwäche. Habeck spricht von einer „dramatisch schlechten“ Lage.

Die Wortwahl der beiden Minister irritiert. Hier melden sich keine Analysten zu Wort, die aus der Ferne eine Entwicklung beschreiben, sondern hier reden zwei Regierungspolitiker, diese aktiv beeinflussen können. Dafür bräuchten sie allerdings eine Einigkeit, die über die reine Problembeschreibung hinausgeht - und die nicht in Sicht ist.

Der Finanzminister träumt von einer „wirtschaftspolitischen Wende“. Durch den Abbau von Vorschriften, Bürokratie und Steuerlast will er Unternehmen „entfesseln“ und danach die Kräfte des Marktes walten lassen. Habeck hingegen will den Umbau der Wirtschaft vorantreiben. Der Grünen-Politiker ist fest davon überzeugt, dass Deutschland seinen Wohlstand langfristig nur wahren kann, wenn die Industrie nachhaltig und klimaneutral produziert. Und er glaubt, dass das ohne staatliche Eingriffe nicht zu schaffen sein wird.

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Grundverschiedene Ansichten in der Wirtschaftspolitik

Es sind zwei grundverschiedene Philosophien der Wirtschaftspolitik, die da aufeinanderprallen. Und doch sind sie nicht so unvereinbar, wie es auf den ersten Blick scheint. Die simple Wahrheit ist, dass die deutsche Wirtschaft zur Überwindung ihrer Schwächephase nicht Habeck oder Lindner braucht - sondern beide.

Natürlich hat Robert Habeck mit dem Hinweis recht, dass internationale Wettbewerber wie China oder die USA den Umbau ihrer Volkswirtschaften durch massive und größtenteils schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme vorantreiben und Deutschland bislang keine Antwort darauf gefunden hat. Und gleichzeitig stimmt es, wenn Christian Lindner beklagt, dass sich unser Land eine überbordende und gleichzeitig wenig effiziente Verwaltung, ein Dickicht an Bestimmungen, Pflichten und Regeln sowie einen im internationalen Vergleich üppig ausgestatteten Sozialstaat leistet. Aber anstatt Trennendes zu betonen, sollten der Liberale und der Grüne besser Gemeinsames suchen.

Die Zukunft der deutschen Wirtschaft hängt nicht an der Frage „Markt oder Staat“, sondern daran, wie sich beide Ansätze klug miteinander vereinen lassen. Im Grunde lautete so das Versprechen, mit dem die Ampel vor zwei Jahren angetreten ist: den Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie aufzulösen. Dass das nicht gelungen ist, ist das eigentliche Versagen dieser Regierung.

Dauerknatsch der Ampel machte Probleme größer

Zwar trifft es zu, dass die Ampel mehr strukturelle Probleme und externe Schocks bewältigen musste als jede Regierung in den letzten Jahrzehnten. Gleichzeitig aber hat sie - abgesehen vom erfolgreichen Abwenden einer Gasmangellage und dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz - wenig dazu beigetragen, die Probleme der Wirtschaft zu lösen. Und einige - wie hohe Energiekosten, mangelnde Planungssicherheit und fehlende Fördermittel - wurden durch den Dauerknatsch zwischen den Regierungsparteien erst richtig groß.

Immerhin haben Habeck und Lindner nun erkannt, dass es so nicht weitergeht. Sie müssen dringend aufhören, sich gegenseitig zu blockieren und stattdessen die Kraft finden, sich auf einen gemeinsamen wirtschaftspolitischen Plan für den Rest der Legislaturperiode zu einigen. Wenn sie die Krise überwinden und davon politisch profitieren wollen, sollten sie sich beeilen. Die Uhr tickt.