
Nicht mal eine Woche ist die Einigung der Ampel-Koalition von SPD, FDP und Grünen über den Haushalt 2024 alt - und schon scheint das Bündnis, das mit großen Zielen die Zukunft gewinnen will, wieder in die Bedeutungslosigkeit des Streits um Einzelinteressen zu zerfallen. Dabei kann man in diesen Einzelthemen durchaus Korrekturbedarf erkennen. Das gilt für die Mehrbelastungen von Landwirten durch die Streichung von Steuersubventionen beim Diesel-Kraftstoff ebenso wie für die abrupte Beendigung der Förderung von E-Autos.
Selbst wenn man sich mit einiger Berechtigung fragt, wie viel Liter subventionierten Diesels die Landwirte mit ihren Protest-Fahrten nach Berlin eigentlich verbrauchen, gibt es Hinweise, dass es bessere Einsparmöglichkeiten in diesem Grünen-Ressort gibt. Selbst wenn man berechtigte Zweifel hat, dass E-Auto-Subventionen für immer mehr Vans in den Innenstädten ihre Berechtigung haben, darf man Zweifel an der gehetzt wirkenden, kompletten Streichung von Förderprämien auch für kleine Innenstadt-Pkw haben.
Solche Betrachtungen und Einwürfe von Fachpolitikern allerdings verlieren das Große und Ganze aus dem Blick. Es geht längst nicht mehr um Einzelinteressen. Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit und das Auskommen des gesamten Landes. Die politische Führung der Berliner Republik droht das Zentrum der Demokratie - die arbeitende, erfolgreiche und vor allem gutwillige Mitte - dauerhaft zu verlieren. Wohin das schlimmstenfalls führt, das kann man beobachten an der Wahl des ersten AfD-Oberbürgermeisters in Pirna. Dort versanken CDU und Freie Wähler in Eigeninteressen und organisierten gegeneinander beide Niederlagen.
Kanzler braucht eine neue Agenda-Strategie
Doch zurück zur Ampel: Dass dort FDP und Grüne als Klientelparteien wohlhabender Schichten Einzelinteressen in den Blick nehmen, mag in Ordnung sein. Sie reichen damit allerdings zugleich die Verantwortung für die Zukunft der Republik an die einzig verbliebene Volkspartei in der Ampel weiter - die SPD. Deren Vorsitzender Lars Klingbeil formuliert als richtige Antwort auf die Krise die Entlastung der „arbeitenden Mitte“ - und nennt die Pendler-Pauschale als Beispiel.
Dieser Ball liegt nun im Feld des Kanzlers, der die Richtlinien der Politik bestimmt. Er braucht eine neue Agenda-Strategie mit einem angemessenen Zielhorizont, hinter der sich diese Mitte versammeln kann. Das Moderieren von Konflikten reicht in der Ampel nicht mehr - auch nicht mit der besten Taktik.