

Die Halbzeitbilanz der Bundesregierung – so legt es eine Studie der Bertelsmann Stiftung nahe – fällt besser aus als gedacht. Das gilt zumindest für die Umsetzung der Vorhaben aus dem ambitionierten Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Zwei Drittel der dort festgeschriebenen Vereinbarungen sind bereits umgesetzt oder angegangen. Das ist mehr als nahezu alle Vorgängerregierungen einschließlich der großen Koalitionen aus den Jahren der Kanzlerschaft Angela Merkels vollbracht haben. Eine respektable Bilanz bescheinigt die Studie der Ampel. Deren Zustimmungswerte in der Bevölkerung indes sind gleichbleibend schlecht.
Sind wir also ein Volk von Nörglern, Besserwissern und Unzufriedenen, die stets das Bessere wollen, ohne das Gute zu würdigen? So einfach ist die Antwort für die Ampel-Koalitionäre nicht. Sie sind neben den zählbaren Erfolgen ihrer Politik auch für die darauf gründende Stimmung verantwortlich. Und da ist es dem Bundeskanzler Olaf Scholz ebenso wenig wie seinem Vizekanzler Robert Habeck und seinem Finanzminister Christian Lindner gelungen, Aufbruchstimmung zu erzeugen.
Das aber gehört zu ihrem Kerngeschäft als Verantwortungsträger einer Demokratie. Es reicht nicht, Politik zu machen – oder besser: die richtige Politik zu machen. Scholz, Habeck und Lindner und die sie tragenden Parteien SPD, Grüne und FDP sind auch dafür verantwortlich, die Menschen mit dieser Politik zu erreichen, ihnen Mut und Zuversicht für die Herausforderungen des Alltags und der Zukunft zu geben.
Nun beginnt die zweite Halbzeit
Man kann der Ampel zubilligen, dass Krisenlagen wie unter Corona und vor allem ein Krieg in der Ukraine mit der Konfrontation einer Weltmacht die Umsetzung einer solchen Politik erschwert haben. Am meisten aber belastet sich diese Koalition mit selbst zu verantwortenden Eifersüchteleien, die nicht immer auf Sachkenntnis und durchdachtem Inhalt gründen, mit Wichtigtuerei und „Besserwissertum“ sowie einem ausgeprägten Hang zu arroganter Selbstdarstellung und öffentlichen Auftritten, insbesondere im Wirtschafts- und Finanzministerium.
Aber nun beginnt ja die zweite Halbzeit. In der ersten hat sich die Ampel-Koalition, die erste ihrer Art in Deutschland, zum Teil bis ins Unerträgliche in ihren hehren Ansprüchen an die Erneuerung von Republik und Demokratie in Deutschland verheddert. Die zweite könnte mit neuer Taktik und sicherem Passspiel echtes neues Vertrauen begründen.
Sie muss es allerdings auch. Dieses Land und diese Demokratie brauchen den Aufbruch, den die Regierung mit der erfolgreichen Umsetzung von zwei Dritteln ihrer Vorhaben begonnen hat. Sie brauchen weniger Egomanie und Selbstdarstellung, die die Leistung überdecken. Erst dann wird der Erfolg erkennbar, den die Ampel für sich reklamiert.