Kommentar

Wahlklatsche für Spaniens Premier Sánchez

Die politische Ära des smarten Sozialdemokraten scheint zu Ende gehen. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass ihm noch ein Wunder gelingt, meint unser Autor.

Nach einer schweren Schlappe für seine sozialdemokratische Partei bei Regional- und Kommunalwahlen hat Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez überraschend vorgezogene nationale Parlamentswahlen angekündigt. | © AFP or licensors

Ralph Schulze
30.05.2023 | 30.05.2023, 12:16

Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef Pedro Sánchez war schon immer für Überraschungen gut. Er wurde in seinem Land bereits mehrmals politisch abgeschrieben. Aber er hat sich immer wieder durchgebissen. Doch nun könnte die politische Ära des smarten Premiers tatsächlich zu Ende gehen. Seit fünf Jahren amtiert er mit einer wackeligen Minderheitsregierung. Das hat viel Kraft gekostet, was auch an dem sportlichen Basketballfan Sánchez nicht spurlos vorbeiging.

Er konnte in Spanien vor allem mithilfe der eigenwilligen separatistischen Parteien aus dem Baskenland und aus Katalonien regieren, die dafür immer neue Zugeständnisse forderten. Und dank eines Pakts mit der Linkspartei Podemos, die als Juniorpartner im Kabinett saß, sich aber zunehmend im ideologischen Kleinkrieg verstrickte.

Dauerstreit mit den politischen Reisegefährten, das bekommt keiner Regierung gut. Deswegen ist es keine Überraschung, dass Sánchez’ Sozialdemokraten, eine der beiden großen spanischen Volksparteien, nun in den Kommunal- und Regionalwahlen heftig abgewatscht wurden.

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Es war ein Wahlgang, in dem es kaum um lokale und regionale Themen ging. Sondern darum, wer die spanische Nation in die Zukunft steuern soll. Insofern ist es nur folgerichtig, dass Sánchez das Signal der Wähler ernst nahm und nach seiner Wahlklatsche die nationale Parlaments- und Regierungswahl vorzog. Auch wenn es vielen Spaniern nicht gefallen dürfte, am 23. Juli, mitten in den Sommerferien, an die Urnen zu müssen. Und auch in der EU dürfte der Termin nicht für Freude sorgen. Denn Spanien übernimmt am 1. Juli, also mitten im spanischen Wahlkampf, die turnusmäßige EU-Ratspräsidentschaft.

Aber vielleicht gelingt dem Stehaufmännchen Sánchez ja doch noch einmal eines seiner Wunder. Und er schafft es, auch dieses Unwetter zu überleben. Ganz ausgeschlossen ist dies nicht. Seine Arbeitsministerin Yolanda Díaz will Sánchez‘ mit einer neuen progressiven Wahlplattform retten, die das zersplitterte Lager links der Sozialdemokraten einen soll. Die charismatische Díaz hat durchaus Zugkraft: Sie ist, Umfragen zufolge, die beliebteste Politikerin Spaniens.

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