Kommentar

Der Auftrag der Ampel

SPD, Grüne und FDP müssen Mittelschicht und Mittelstand über den Winter helfen, fordert Thomas Seim. Ein Konflikt zwischen einer Politik der sozialen Gerechtigkeit und der gegen die Klimakrise gehe fehl.

Beraten über Entlastungen: Kanzler Olaf Scholz (r.) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Klausur des Bundeskabinetts am Dienstag auf Schloß Meseberg. | © AFP or licensors

Thomas Seim
30.08.2022 | 30.08.2022, 18:08

Der Ukraine-Krieg und die daraus folgende Gas- und Energiekrise stellen Deutschland vor die Herausforderung einer Umverteilung. Es wird eine Umverteilung in einer Größenordnung werden, wie sie die Menschen im Land seit Jahrzehnten nicht mehr kannten. Der nun zu Ende gehende Sommer war einer der heißesten, die es in diesem Land je gegeben hat. Ihm folgt demnächst ein kalter Winter, der große Teile der Mittelschicht in Bedrängnis bringt. Sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr oft sehr genau abwägen müssen, wie viel ihres Einkommens sie für ein warmes Wohnzimmer oder einen einigermaßen vollen Kühlschrank ausgeben können. Für beides wird es nicht immer reichen.

Offenbar geworden ist dieses Dilemma durch einen Fehler im politischen Management des Bundeswirtschaftsministers bei der so genannten Gasumlage und einem unsäglich misslungenen Ratschlag seines grünen Parteifreundes und Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, der den Menschen den Waschlappen statt einer Dusche zum Sparen empfahl. Beide Fehltritte wären durch eine Korrektur bzw. eine Entschuldigung leicht zu entschärfen. Sie haben allerdings zu einer Verschärfung und einem offenen Konflikt in der Ampel-Koalition geführt, der erstmals öffentlich auch einen Keil zwischen Grüne und Sozialdemokraten treibt.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil kritisierte öffentlich Wirtschaftsminister Robert Habeck und legte auch gegen Winfried Kretschmann nach. Grünen-Chef Omid Nouripour wehrte sich mit Angriffen gegen den Kanzler. Die Münchner Bundeswehr-Professorin Hedwig Richter legte als Mitglied einer „Denkfabrik“ der grünen Böll-Stiftung nach und verstieg sich zu der – nicht nur wissenschaftlich sehr fragwürdigen – These, es gebe keine soziale Gerechtigkeit mehr, solange der Planet brennt.

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Ein Konflikt zwischen einer Politik der sozialen Gerechtigkeit und der gegen die Klimakrise allerdings geht fehl. Die Aufgabe der Politik ist nicht, das eine gegen das andere auszuspielen. Der Auftrag der Politik ist, den Weg zu finden, der beides miteinander verbindet. Der Wirtschaftsminister scheint dies erkannt zu haben, wenn er die Gasumlage nun auf solche Unternehmen begrenzen will, die keine Boni auszahlen und systemrelevant für die Versorgungssicherheit in Deutschland sind. Das ist ein richtiges Signal der Korrektur.

Die Koalition muss es nun ergänzen um eine Winterhilfe für Geringverdiener und Rentner – und um eine für Handwerker und Bäckermeister, die von den aktuellen Energiekosten auch überfordert werden. Das würde Mittelschicht und Mittelstand vereinen und helfen - und liegt im Interesse auch der FDP.

Es wäre Politik ohne Ideologie im Interesse der breiten Mitte der Bevölkerung. Das ist der Auftrag dieser Ampel.

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