Kommentar

Landtagswahl: Die Republik schaut auf NRW

Wahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland sind eine kleine Bundestagswahl, sagt NW-Chefredakteur Thomas Seim. Er erwartet am Wahlsonntag Hinweise auch für Berlin.

Zwei Wähler füllen in der Wahlkabine ihre Stimmzettel für die Wahl in Schleswig-Holstein aus. Am Sonntag wählt NRW. | © Markus Scholz/dpa

Thomas Seim
15.05.2022 | 15.05.2022, 10:00

Der Westen der Bundesrepublik ist bis heute ein bisschen stolz darauf, als wichtigstes und bevölkerungsreichstes Bundesland so etwas wie die Bundesrepublik in klein zu sein. Es ist eben nicht einerlei – auch nicht für die Bundespolitik – wer in Düsseldorf das Sagen hat. Also schaut auch Berlin gebannt auf die Wahlentscheidung in NRW am heutigen Sonntag.

Umgekehrt gilt für diesen Wahlkampf und den Wahlgang um und in Nordrhein-Westfalen, dass er wie nur wenige in den vergangenen Jahren auch unter besonderem Einfluss der Bundespolitik steht. Ursachen dafür gibt es sowohl auf der Berliner Ampel-Regierungsbank als auch auf den harten Oppositionsbänken der Union.

Für den SPD-Bundeskanzler steht Einiges auf dem Spiel. Der Ukraine-Krieg und der hanseatisch-zurückhaltende öffentliche Umgang damit hat die Zustimmung für Olaf Scholz geringer werden lassen. Im Gegenzug haben die an sich friedensbewegten Grünen mit dem Werben für offensive Waffen-Unterstützung Punkte einsammeln können. Die liberalen Ampelpartner stagnieren. Die Stimmung bei den Menschen im Land ist indes gespalten: Die Mehrheit fürchtet, in diesen Krieg hineingezogen zu werden. Zugleich unterstützt eine andere Mehrheit deutsche Waffenlieferungen.

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In der Union müht sich der neue Parteivorsitzende Friedrich Merz mit seinem Auftritt um öffentliche Anerkennung – auch vorwiegend mit dem Thema des Ukraine-Kriegs. Richtig erfolgreich ist er damit bislang nicht. Zwar stabilisiert sich die Bundes-CDU in Umfragen vor der SPD. Der Nordrhein-Westfale und Oppositionsführer Merz selbst allerdings genießt so gut wie keine Anerkennung als Zukunftsperspektive gegen den amtierenden Bundeskanzler Scholz.

Um so wichtiger ist für beide Seiten die Lage in der kleinen Bundesrepublik. Vor fünf Jahren konzentrierte sich Herausforderer Armin Laschet gegen Hannelore Kraft auf die Themen Innere Sicherheit, Bildung und Verkehrslage – und gewann knapp. Aktuell reklamiert der erst seit kurzem amtierende CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst nicht ohne Berechtigung, NRW sei heute sicherer. SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty dagegen lenkt den Blick ebenfalls mit gutem Grund auf erhebliche Defizite im Land bei der Kinderbetreuung und in der Bildungspolitik, und punktet mit Vorschlägen für Quereinsteiger und zu einer Comeback-Kampagne unter Aussteigern für das Lehramt und die Kinderbetreuung. In der Verkehrspolitik hat der Corona-Stillstand die Wirkung der zahlreichen Baustellen-Blockaden als Thema in den Hintergrund gedrängt.

So ist die Lage. Die Republik und ihr Westen sind offenbar verunsichert und zugleich unentschieden über die Wege in die Zukunft. Am Sonntagabend werden die NRW-Wählerinnen und -Wähler Hinweisschilder an der Weggabelung aufstellen.