Kommentar

Die Bundesregierung und die Ukraine-Krise: Waffen für Kiew?

Die Ukraine braucht keine Panzer, sondern eine Perspektive, meint Klaus Schrotthofer - und erklärt, warum Finnland ein Vorbild für eine dauerhafte Lösung des Konflikts sein könnte.

Ein Soldat trainiert in Kiew Zivilisten, die hölzerne Waffenattrappen tragen. | © AFP or licensors

Klaus Schrotthofer
31.01.2022 | 01.02.2022, 13:20

Es ist nicht lange her, dass Deutschland am Pranger stand, weil es zu viele Waffen verkaufe. Nun wird die Bundesregierung kritisiert, weil sie keine Waffen liefern will. Einen „Ansehensverlust“ riskiert angeblich der Bundeskanzler, weil seine Partei die Ukraine nicht aufrüsten will.

Man weiß nicht, was beängstigender ist: Der russische Aufmarsch am Don oder die Schlichtheit, mit der die Politik nun allerorten in die Logik und Rhetorik des Kalten Kriegs zurückfällt.

Zunächst: Russlands Präsident Putin hat diese Situation herbeigeführt. 100.000 Soldaten an den Grenzen der Ukraine sind eine massive Drohung.

Doch es spricht einiges dafür, dass diese Provokation weniger der Ukraine selbst als vielmehr den Falken im westlichen Bündnis gilt. Seit 1990 hat sich die NATO kontinuierlich nach Osten ausgedehnt. Und es ist auffällig, mit welcher Vehemenz die USA und insbesondere die mittelosteuropäischen Staaten das Recht der Ukraine auf einen NATO-Beitritt betonen. Sie handeln dabei ohne Prokura der Mitgliedsstaaten, die einem Beitritt neuer Mitglieder aus gutem Grunde einstimmig zustimmen müssten. NATO-Mitglieder sind einander beistandspflichtig – und im schlimmsten Fall müssten dann auch deutsche Soldatinnen und Soldaten für die politischen Entscheidungen eines ehemaligen TV-Komikers im Kiewer Präsidentenpalast haften.

Newsletter
Wirtschaft
Wöchentlich die neuesten Wirtschaftsthemen und Entwicklungen aus OWL.

Waffen helfen der Ukraine jetzt am wenigsten

Waffen helfen der Ukraine jetzt am wenigsten. Egal, wie viele Panzer und Raketen man nach Kiew schaffte, es wäre der Ukraine unmöglich, gegen eine der größten Armeen der Welt zu bestehen.

Auch die NATO hat kein realistisches Konzept für einen regionalen Konflikt mit unmittelbarer Beteiligung Russlands – sie bezieht ihr Abschreckungspotenzial in letzter Konsequenz aus der Androhung vollständiger gegenseitiger Vernichtung.

Dieser Konflikt wird also nur mit Diplomatie und wirtschaftlicher Macht gelöst werden können. Es ist klug, dass die Regierungspartei SPD beides nutzen will.

Eine gewaltsame Veränderung von Grenzen darf auch künftig keine Option sein. Russland muss deshalb gezwungen werden, das Völkerrecht zu respektieren. Aber ein wirklich fairer Interessenausgleich wird auch Kiew Zugeständnisse abverlangen.

Vorbild Finnland

Vielleicht ist es hilfreich, nach Finnland zu schauen. Das skandinavische Land sicherte einst seine Unabhängigkeit von Russland, indem es sich zu einer strikten Neutralität zwischen den Militärblöcken verpflichtete. Diese Neutralitätsverpflichtung gilt bis heute – und verhinderte nicht, dass sich Finnland als Mitglied der EU wirtschaftlich entwickeln konnte.

Sicher ist: Mit ernsthaften Gesprächen über eine solche Sicherheitsarchitektur würden Kanzler Scholz und sein französischer Partner Macron mehr für den Frieden leisten als all jene, die jetzt so lautstark nach Kanonen rufen.

Kontakt zum Autor