Meinung

Kommentar zur Stichwahl: In der SPD schlagen zwei Herzen

Im Rennen um den SPD-Parteivorsitz wird es noch einmal spannend, urteilt NW-Chefredakteur Thomas Seim. | © picture alliance/dpa

Thomas Seim
26.10.2019 | 27.10.2019, 11:27

Bielefeld. Die SPD-Mitglieder haben sich entschieden: Für ein Finale zwischen den Bewerberpaaren des Vize-Kanzlers Olaf Scholz mit der Brandenburger Landespolitikerin Klara Geywitz und des Ex-Finanzministers von NRW, Norbert Walter-Borjans mit der Abgeordneten Saskia Eskens.

Das Ergebnis belegt: Es sind nicht zwei verschiedene Parteien, wohl aber zwei Herzen, die in dieser Partei schlagen. Eine Seite repräsentiert die Ankunft der Sozialdemokraten in der Mitte der Bürger-Gesellschaft, für die andere Hälfte schlägt das Herz immer noch eher links, wie es der ehemalige SPD-Chef Lafontaine nach seiner Flucht aus dem Amt Ende der 1990er Jahre in einem Buch aufschrieb.

Der Bielefelder Kandidatin Christina Kampmann gelang mit ihrem Partner Roth ein dritter Platz. Sie hat das ohne ihre politische Heimat Bielefeld erreicht. Da muss sie sich die Frage stellen, warum sie ihre Kandidatur eigentlich weitgehend ohne diese Heimat oder gar an ihr vorbei betrieb.

Es braucht ein alternatives Regierungskonzept 

Walter-Borjans/Eskens stehen nicht automatisch für eine Wende aus der Koalition. Wohl aber sammeln sich hinter ihnen jene Gegner einer Regierungspartei SPD, die gegenüber der Union oft auf vorauseilenden Gehorsam setzt.

Die fehlende eigene Machtperspektive beklagt dieses Lager zurecht. Aber das eigene Profil hängt nicht nur von Konflikten mit der und gegen die Union ab. Es braucht auch ein alternatives Regierungskonzept – und das muss eine Mehrheit aller Wählerinnen und Wähler ansprechen.

Das ist mit einem Kurs, der auf Ausstieg und Opposition setzt, nicht erreichbar. Er kann gar in gefährliche Sackgassen führen, wie das Scheitern der letzten auf parlamentarische Mehrheiten gestützten Koalitionsregierung der Weimarer Republik unter dem SPD-Reichskanzler Müller zeigt, die an einem Streit um die Arbeitslosenversicherung 1930 scheiterte. 

Zur Stichwahl wird es spannend

Ein solcher Kurs steht dazu gegen die SPD-Tradition, Politik aktiv gestalten zu wollen. Die realistische Machtperspektive der SPD muss deshalb auch in der bürgerlichen Mitte gesucht werden.

Eines der SPD-Herzen allein reicht nicht für Mehrheiten. Das wird auch Olaf Scholz anerkennen müssen. Er scheint der aussichtsreichere, weil bekanntere Kandidat für die Zeit nach der Kanzlerin Merkel zu sein. Aber ohne die SPD von Walter-Borjans/Eskens wird auch er nicht ins Amt kommen. Vielleicht nicht mal in den SPD-Vorsitz. Walter-Borjans und die NRW-SPD sollte man da nicht unterschätzen.

Zur Stichwahl wird es spannend. Das kann dieser Partei ja nicht schaden. Es geht immerhin um beide Herzen der SPD.