Kultur

Interview: Torsten Zarges über die Programmreform von WDR 2

Der 41-jährige Medienexperte bezieht Stellung zum kritischen Kommentar der Neuen Westfälischen

Kennt die Radioszene: Torsten Zarges. | © Deutscher Radiopreis

Stefan Brams
14.09.2016 | 14.09.2016, 21:00

Der Juryvorsitzende des Deutschen Radiopreises, Torsten Zarges, spricht im Interview über die Kritik an dem Sender, die mehr als 130 Leser in ihren Mails an die Kulturredaktion der Neuen Westfälischen geäußert haben.

Herr Zarges, meine Ankündigung, WDR 2 wegen der zunehmenden Verflachung des Programms nicht mehr einzuschalten, haben mittlerweile mehr als 130 Leser kommentiert. 98 Prozent davon zustimmend. Sollte diese Quote den Sender nicht nachdenklich stimmen?
Torsten Zarges: Mich wundert die Resonanz nicht so sehr. Der WDR dürfte selbst auch mit sehr vielen Rückmeldungen dieser Art konfrontiert sein, denn es ist im Prozess einer Senderreform nichts Ungewöhnliches, dass sich die Kritiker eher zu Wort melden als die Zufriedenen.

Das heißt der WDR macht gerade nichts falsch?
Zarges: Ich sehe den Prozess weniger negativ als Sie. Denn der Sender macht vor allem eines richtig, in einer Zeit, in der Streamingdienste laufend Alternativen zum linearen Radio anbieten, setzt der Sender auf das, was ihm als Markenzeichen noch bleibt: die Köpfe, die Stimmen und die Persönlichkeiten seiner Moderatoren, mit denen sich die Hörer identifizieren können.

Unsere Leser kritisieren aber gerade auch die neuen Doppelmoderationen und die teilweise neue Moderatoren-Riege.
Zarges:
WDR 2 hat meines Erachtens starke Moderatoren, die ihr Handwerk verstehen, aber es ist letztendlich immer auch eine Frage des Geschmacks, wer wie ankommt. Vor allem aber ist es für einen Sender keine leichte Aufgabe, die Zielgruppe teilweise auszutauschen.

Stammhörer zu verprellen, um neue Hörerschichten zu erschließen, scheint mir eher ein sehr fragwürdiges Konzept.
Zarges:
Bewusst Stammhörer zu verprellen, ist natürlich kein gutes Konzept, sondern Unsinn. Aber ein Sender wie WDR 2 kann sich nicht einfach auf den Erfolgen der Vergangenheit und seiner alternden Zuhörerschaft ausruhen.

Warum nicht, der Sender wird doch ohnehin per Zwangsgebühr finanziert, muss also keine Quote machen und unnötig Stammhörer verschrecken?
Zarges:
WDR 2 wird zum Teil ja auch durch Werbeeinnahmen finanziert, daher muss der Sender schon darauf achten, sich neue Zielgruppen zu erschließen. Nun müssen die Verantwortlichen es hinbekommen, möglichst viele Stammhörer zu halten und gleichzeitig neue, jüngere Hörer hinzuzugewinnen.

Aber genau diese Stammhörer fühlen sich derzeit überhaupt nicht mehr wohl bei WDR 2. Sie kritisieren zunehmendes Infotainment, ausufernde Selbst-PR, immer mehr Gewinnspiele und Comedy, oberflächliche Nachrichtensendungen und die zunehmende monotone Musikauswahl. Das klingt nicht gerade nach einem behutsamen Umgang des Senders mit seinen Stammhörern?
Zarges:
Wer wirklich an ausführlichen Nachrichten und politischen Hintergründen interessiert ist, der ist in einem Tages-Begleitprogramm, wie WDR 2 es anbietet, nicht optimal aufgehoben. Diese Hörer können vielmehr mit einem anspruchsvollen Wortprogramm befriedigt werden wie der Deutschlandfunk oder WDR 5 es bieten.

Für Sie macht WDR 2 also ein eher gutes Programm für die Nebenbeihörer?
Zarges:
Ja, vor allem, wenn ich es mit dem vergleiche, was andere, ähnlich ausgerichtete Sender in anderen Bundesländern so anbieten. Da machen die Macher von WDR 2 einen guten Job.

Dass sich WDR 2 kaum noch von privaten Radiosendern unterscheidet, stört Sie nicht?
Zarges:
Das sehe ich anders, weil ich bei WDR 2, wie gesagt, ein relativ klares eigenständiges Profil heraushöre. Insgesamt gibt der WDR die richtigen Antworten.

Auch bei der Musikauswahl, die in den meisten der Zuschriften an uns als viel zu monoton kritisiert wird? Zarges: Die einfache Antwort lautet: Die Musik von WDR 2 ist so, wie sie ist, weil die Marktforschung des WDR herausgefunden hat, dass die Mehrzahl der WDR 2-Hörer diese hören möchte.

Was sollen denn die enttäuschten WDR 2-Hörer denn nun tun?
Zarges:
Ich tippe, dass mindestens zwei Drittel der Kritiker, die Ihnen geschrieben haben, wieder zu WDR 2 zurückfinden werden, wenn sie sich erst an die Neuausrichtung gewöhnt haben. Die übrigen werden möglicherweise anderswo eine neue Heimat finden.

Und WDR 2 macht einfach so weiter?
Zarges:
Einfach weitermachen ist ein schlechtes Rezept. Für den Moment ist es richtig, was sie machen. Wie lange, ist eine andere Frage, denn man darf natürlich das Hörerfeedback und die Zeichen der Zeit nicht überhören. In den nächsten drei bis vier Monaten werden wir sicher noch ein gewisses Feintuning erleben.

Wir haben 64 öffentlich-rechtliche Rundfunksender. Muss das so sein?
Zarges:
Nein, weniger wäre sicherlich mehr. Eine Erkenntnis, die sich langsam auch innerhalb der ARD und in der Medienpolitik durchzusetzen beginnt. Nicht jede Landesrundfunkanstalt muss selbst alles anbieten. Kooperationen sind eher das Gebot der Zukunft.

Wo schalten Sie selber ein?
Zarges: Ich habe nicht den einen Lieblingssender. Schon mein Job als Vorsitzender der Jury des Deutschen Radiopreises verpflichtet mich dazu, viele Sender zu verfolgen. Was ich übrigens auch gerne tue. Zudem konsumiere ich immer mehr nichtlineare Sendeformen wie Podcasts oder Streaming-Dienste. Letzteres wird die deutschen Sender noch stark herausfordern. Bisher sind sie darauf noch nicht richtig eingestellt.