Weiss

Freiheit

Hundertausende Feierwütige tummeln sich jedes Jahr auf den zahlreichen Festivals in Deutschland. Neben der Musik geht es dabei vor allem auch ums Feiern, Trinken und Campen. Das klingt nach jeder Menge Spaß. Aber sind Festivals wirklich für jeden der richtige Ort, um sich wohlfühlen zu können? Unsere Autoren streiten

27.07.2018 | 27.07.2018, 20:00
Janina Raddatz. - © Janina Raddatz
Janina Raddatz. | © Janina Raddatz

Im Sommer beginnt der Vorurteilszug Richtung Festival zu rollen. Auf seinen Wagen steht: springt auf! Die Mär von „nichts als lauwarmem Bier und verkohlter Bratwurst" und „da ist alles voll mit Matsch" macht darin immer aufs Neue die Runde. „Für mich wäre das nichts", ist man sich einig, mit dieser Betonung, die aussagt: Alles Verrückte. Oder Teenies. Oder beides.

Hallo? Schon mal was von Toleranz gehört? Die meisten, die so reden, waren noch nicht mal auf einem Festival. Das sind mir die Liebsten. Wer gibt euch das Recht, so über anderer Leute Urlaub zu urteilen?

Außerdem wisst ihr nicht, was ihr verpasst, während ihr gestriegelt und gebügelt in eurer Ferienanlage liegt. Wie es sich anfühlt, unter der selbst aufgebauten Pavillon-Landschaft zu sitzen, mit einem Gin Tonic samt frischer Limettenscheibe in der Hand – und in den Sonnenuntergang zu schauen. Und vor der gewaltigen Bühne zu stehen und sich von der Livemusik treiben zu lassen. Wie es ist, während der Konzerte gemeinschaftlich dafür zu sorgen, dass die Crowdsurfer ihren Weg nach vorn zur Bühne finden, und nirgendwo in der Menge einbrechen.

In erster Linie verbringt man auf einem Festival Zeit mit Freunden. Meine Festivalgruppe besteht aus Menschen aus ganz Deutschland. Einmal im Jahr treffen wir uns auf einem Stoppelacker im Harz. Ausbildung oder Studium liegen hinter uns, die 30 oder die 40 sind näher, als manchem lieb ist. Aber Festivals besuchen ist keine Frage des Alters.

Ich war bisher auf mehr als 20 Zeltfestivals, und das wird so weitergehen. Freundschaft und Livemusik haben kein Verfallsdatum. Dabei mag ich weder Bier noch Bratwurst, doch die sauberen Duschen dort umso mehr – na, gerät der Vorurteilszug gerade ins Stocken?

Sobald es runtergeht von der Autobahn Richtung Gelände, ist da nur ein Gefühl: Es ist, als würde man nach Hause kommen. Rauf auf die Fläche, mit den anderen ein Areal abstecken. Aufbauen, anstoßen auf die Freundschaft und auf das Leben. Und dann: fünf Tage Freiheit.