Seit wann genügen Zuschauen, Zuhören und Klatschen eigentlich nicht mehr? Immer mehr Besucher von Live-Shows halten ihr Smartphone nach oben – und die Geschehnisse auf der Bühne in Film und Foto fest. Direkt wird alles noch während der Show per WhatsApp, Instagram und Youtube mit den Freunden geteilt. Muss das sein?
Ein Abend mit Mark Forster im Gerry-Weber-Stadion. Vorfreude. Und dann das: Kaum steht der Sänger auf der Bühne, zücken die Besucher vor mir ihre Smartphones. Einen Song nach dem anderen halten sie in den zweieinhalb Stunden Konzert im Video fest. Und nicht nur das. Kurze Clips und schnell geknipste Fotos werden direkt per WhatsApp verschickt, damit auch die Lieben daheim was davon haben. Die Augen kleben auf dem Handy-Display wie ein Kaugummi unter dem Schuh. Dabei entgeht ihnen nicht nur auf der Bühne Hörens- und Sehenswertes – sie stören mich auch mit dem Herumgefuchtel auf Gesichtshöhe. Bei der Flic-Flac-Weihnachtsshow an der Bielefelder Radrennbahn dasselbe Schauspiel. Ganz ehrlich? Das nervt!
Warum genügt das einfache Erleben nicht mehr? Das Rumhüpfen, Tanzen, Klatschen, Mitsingen? Warum muss alles mitgeschnitten und geteilt werden? Wenn ich ein Konzert oder eine Show besuche, möchte ich alles unmittelbar erleben, mich auf das Wesentliche konzentrieren. Aber wie soll ich die Künstler sehen, wenn die Leute vor mir sich aufführen wie schwitzende Amateur-Kameraleute? Da bleibt oft nur ein schmaler Sichtkorridor.
Ja, es ist schön, dass wir mit dem Smartphone immer eine kleine Filmkamera und einen Fotoapparat in der Tasche haben. Ich habe auch nichts gegen ein schnelles Erinnerungsfoto oder ein kurzes Video. Aber das muss reichen!
Intensivfilmer haben doch auch nichts von ihrer Arbeit. Da wird hektisch ein schöner Augenblick nach dem anderen dokumentiert, statt diese Augenblicke direkt zu erleben. Und wer schaut sich schon zu Hause noch einmal die verwackelten Videos an? Wer steht ernsthaft auf blecherne Tonmitschnitte, die eher an kaputte Kopfhörer erinnern als an einen klangvollen Abend?
Also: Handys aus – und Ohren und Augen auf! Nur so kann man das Bühnenbild, die Künstler und die Show wirklich genießen – eben das, wofür man bezahlt hat. Schöne Erinnerungen schlagen jeden Wackelmitschnitt.