Kopf der Woche

Chris de Burgh: „The Lady in Red gehört nicht zu den Top Ten meiner
Lieblingssongs!“

Der Sänger denkt auch mit fast 70 Jahren noch lange nicht ans Aufhören. Aktuell ist er auf Deutschlandtour. Warum er vor allem in der Provinz spielt, warum seine Ehe seit Jahrzehnten hält und welche Beziehung er zu Robin Hood hat, erzählt er im Interview

Chris de Burgh. | © picture alliance / app-photo/Ralf Mueller

28.07.2018 | 28.07.2018, 15:00

Im Oktober wird er 70, ans Kürzertreten oder Aufhören denkt Chris de Burgh, der kleine Ire mit der großen Stimme, aber längst noch nicht. Ganz im Gegenteil: Den Sommer verbringt der weltweit erfolgreiche Musiker bei frischer Luft auf deutschen Freilichtbühnen – viele davon in der Provinz – um ganz alleine seine größten Hits und so manches selten gehörte Schätzchen zu spielen. Wir haben mit ihm über Musik, Liebe und über den Grund, warum diese Welt einen Robin Hood braucht, gesprochen.

Mr. de Burgh, Sie melden sich aus einem Aufnahmestudio in London. Woran arbeiten Sie gerade? 

Chris de Burgh:
Wir diskutieren über mein neues Projekt, ein Musical über Robin Hood, das 2020 in Fulda Premiere feiern soll. 



Robin Hood nahm der Sage nach von den Reichen und gab den Armen. Fasziniert Sie diese Figur? 

de Burgh: Ja, aber das ist nicht der Grund, weshalb ich diese Arbeit übernommen habe. Die Musik für ein Musical zu komponieren ist für mich eine vollkommen neue Herausforderung. Dazu kommt meine riesige Faszination für das Mittelalter. Ich wuchs in einem Schloss auf, und einer meiner Vorfahren, Hubert de Burgh, war damals sehr involviert in den Kreuzzügen. Über dieses Thema habe ich immer wieder Songs geschrieben, etwa für mein Album „Crusader" aus dem Jahr 1979. Was die Robin-Hood-Legende angeht, so muss ich sogar zu bedenken geben, dass dieser Mann überhaupt nie existiert hat.



Worauf kommt es Ihnen bei dem Musical besonders an? 

de Burgh: Dass wir diesen Robin Hood nicht nur als mittelalterlichen, sondern auch als modernen Charakter zeigen. Das Stück spielt natürlich im Mittelalter, doch die Menschen sollen eine Verbindung zu ihrem eigenen Leben aufbauen und nachvollziehen können, dass dieser Mensch ein sehr gut ausgeprägtes soziales Gewissen hatte. Diese Frage ist nämlich sehr relevant im 21. Jahrhundert.



Brauchen wir mehr Robin Hoods, damit es fairer zugeht in der Gesellschaft?
de Burgh: Dem würde ich zustimmen. Eine kleine Anzahl globaler Unternehmen hat sich die Erde untertan gemacht und kontrolliert alles. Das gefällt mir nicht. Die Zeiten sind sehr unsicher, mit einem Präsidenten in den USA, bei dem keiner weiß, was er sich als nächstes in den Kopf setzen wird. Die Demokratie ist so stark unter Beschuss wie lange nicht. Was wir aktuell dringend brauchen auf der Welt, ist ein Charakter wie Robin Hood, ein Held. 



Haben Sie eigentlich die königliche Hochzeit von Harry und Meghan verfolgt? 


de Burgh: Na klar. Ich habe mich unheimlich für die beiden gefreut. Ich halte die britische Monarchie nicht für ein Auslaufmodell. Die jungen Royals haben ein Bewusstsein für Historie und Tradition, gleichzeitig treten sie sehr zeitgemäß auf. Und die beiden sehen einfach super aus zusammen. Sie haben eine Menge Menschen glücklich gemacht und dafür gesorgt, dass die aktuellen Probleme ein bisschen aus den Köpfen verschwinden. 

Am 15. Oktober feiern Sie Ihren 70. Geburtstag. Zeit für eine vorläufige Bilanz? 
DE BURGH: Ich kann nicht meckern. Ich bin seit 1977 mit derselben Frau verheiratet, habe drei längst erwachsene Kinder, meine Gesundheit, immer noch eine starke Stimme und einen Beruf, der mich nach wie vor ausfüllt. Ich denke nicht, dass irgendjemand ein perfektes Leben hat, aber ich bin schon ein sehr glücklicher alter Junge. Ich lebe ein Leben, das mir ermöglicht, auf der ganzen Welt aufzutreten. Vor Kurzem spielten wir in Dubai und davor in Kapstadt. Ehrlich, das Leben ist ziemlich super. 



Haben Sie schon Pläne für Ihre Geburtstagsparty?
de Burgh: Oh, es wird keine Party geben. Das liegt mir nicht. Ich freue mich auf einen ruhigen Tag. Ich will da keine große Sache raus machen. Echt, 70, schlimm genug (lacht). Nein, Blödsinn, es ist schon schön. Man wird ja auch nur einmal im Leben 70. 

Alleine werden Sie aber nicht feiern, oder?
DE BURGH: Ich hoffe nicht! Ich würde mich freuen, wenn meine Frau dabei ist. Mit ihr bin ich von allen Menschen auf der Welt am liebsten zusammen. Vielleicht kommen auch die Kinder. 



Sie sind seit 41 Jahren mit Ihrer Frau Diane verheiratet. Wie haben Sie so lange durchgehalten? 

de Burgh: Indem wir nie aufgehört haben, miteinander zu reden. Und einander zuzuhören. Auch nicht in schwierigen Phasen, die wir hatten, so wie vermutlich alle anderen Paare auch. 
Vor dem runden Geburtstag sind

Sie erstmal auf Solo-Tour. Das heißt: Sie stehen ganz alleine auf der Bühne, ohne Band. Wie ist das?
de Burgh: Großartig ist das! Ich spiele sehr gerne solo. So fing das vor 45 Jahren doch alles an. Solo-Shows sind gleichzeitig am einfachsten und am schwierigsten – weil außer dir niemand da ist. Ich liebe es, eine intime Verbindung zum Publikum aufzubauen. Ich kann viel mehr über die Geschichte einzelner Songs erzählen, der Kontakt zu den Menschen ist viel enger.



Sie spielen überwiegend auf Freilichtbühnen, in Amphitheatern, Schlössern oder Parks. Haben Sie die Auftrittsorte selbst ausgewählt?
de Burgh: Nein. Mein Manager weiß, was ich mag. Wir wollten herkömmliche Locations möglichst meiden und so viel es geht draußen spielen. Ich setze auf das gute deutsche Wetter. Und von Orten wie Dexheim, Ransbach-Baumbach oder Schopfheim hatte ich noch nie gehört. Das wird spannend. Ich sollte besser schon mal den Atlas suchen. 



Was reizt Sie an der Provinz?
de Burgh: Solche Entdeckungsreisen sind für mich Teil des Spaßes. Natürlich bin ich immer wahnsinnig gerne in Berlin oder in München, ich kenne die großen Städte wirklich in- und auswendig. Doch auch auf dem Land ist in Deutschland viel los. Vor einigen Jahren bin ich mit Freunden zehn Tage herumgefahren, wir sind ein bisschen gewandert. Es war wirklich toll. Ich bin ein Fan von Deutschland. 



Und umgekehrt. Die Deutschen haben Sie ins Herz geschlossen. Woher kommt die enge Verbindung?

de Burgh: Grundsätzlich liebe ich mein Publikum und habe großen Respekt. Ich biete einen guten Gegenwert fürs Geld. Außerdem habe ich ja Europäische Geschichte studiert und bin seit jeher extrem von der Geschichte Deutschlands fasziniert. Und in der jüngeren Vergangenheit hat sich ein Deutschland, das am Boden war, nach 1945 wieder hochgestrampelt und ist heute das mächtigste Land in Europa. Gründe dafür sind der Eifer und der Ehrgeiz der Deutschen, beides schätze ich sehr. 



Wie gut sprechen Sie Deutsch? 

de Burgh: Ich kriege mit, worüber die Leute reden. Ich kann besser zuhören als selbst sprechen. Meine Fremdsprache ist aber eher Französisch, das hatte ich nämlich damals in der Schule.



Wissen Sie schon, welche Lieder Sie auf der Solo-Tour spielen werden? 

de Burgh: Nein. Das entscheide ich immer spontan. Ich habe mehr als 300 Songs aus allen Phasen meines Schaffens, aus denen ich auswählen kann. Ich bin solo viel flexibler als mit Band. Ich erfülle auch Wünsche, versprochen (lacht). Die großen Hits sind selbstverständlich im Programm, „The Lady In Red", „High On Emotion", „Don’t Pay The Ferryman", „Missing You", das kommt alles. 



Mittlerweile ist es völlig normal, dass 70-jährige Musiker erfolgreich auf Tournee gehen, die Rolling Stones zum Beispiel sind ja sogar noch fünf Jahre älter als Sie. Was ist passiert, dass ältere Herrschaften noch immer die Welt rocken?

de Burgh: (lacht): Der medizinische Fortschritt. Nein, okay, der vielleicht auch, aber ein Grund ist, dass wir Künstler aus der alten Zeit uns noch eine echte Karriere aufgebaut haben. Maßgeblich dafür sind beständig gute Songs. Ich könnte nicht als bloße Legende auf Tour gehen. Ich habe noch ein recht neues Album, das heißt „A Better World", ich denke eigentlich immer an neues Material. Das Wichtigste ist: Wir Alten haben uns aus dem Nichts nach oben gekämpft. Die neuen Stars kommen aus Internet oder Fernsehen, denen fehlt die Erfahrung, sich durchbeißen zu müssen. 



Steht „The Lady in Red", Ihr einziger echter Welthit aus dem Jahr 1986, in Ihrer Karriere über allem anderen? 


de Burgh: Für mich ganz sicher nicht. Ich würde „The Lady in Red" nicht in die Top Ten meiner Lieblingssongs aufnehmen. Nichtsdestotrotz ist es ein Lied, das alle hören wollen, egal, ob ich in Moskau, in Pretoria oder in Kassel bin.



Sind Sie so ein hoffnungsloser Romantiker, wie „The Lady in Red" vermuten lässt?

de Burgh: Naja, nee. Ich bin nicht romantischer als alle anderen Burschen auch. Aber für einen Iren bin ich, wie gesagt, sehr kommunikativ, das kam mir in der Romantik immer zugute. 



In Ihre Konzerte kommen wahrscheinlich mehr Frauen als Männer, oder?
de Burgh: Sagen wir: Die Initiative geht meistens von den Mädels aus. Ich kann das gut erkennen. Da sitzen dann die Knaben, von ihren Frauen hergezerrt, mit mürrischem Gesichtsausdruck, und dann spiele ich als erstes Lied das wirklich rockige „Bethlehem". Die Männer sind plötzlich richtig bei der Sache, ich liebe diesen Moment, wo ich merke, die lassen sich jetzt auf mich ein. 



Ist „A Better World" ein politischeres Album als Ihre übrigen? 

de Burgh: Wie auf jeder Platte singe ich über meine Betrachtungen, Gedanken und Gefühle. Der am klarsten politische Song ist „Homeland", er handelt von den schrecklichen Dingen, die seit Jahren in Syrien passieren und von den armen Flüchtlingen, die einfach nur versuchen, am Leben zu bleiben.



Die Haltung der Deutschen gegenüber Asylsuchenden scheint immer negativer und ablehnender zu werden. Können Sie mit einem Konzert die Meinung der Menschen verändern? 

de Burgh: Da bin ich skeptisch. Vielleicht bringe ich ein bis zwei Leute pro Show zum Nachdenken. Für mich sind die Fakten eindeutig. Das sind Menschen wie du und ich, sie sind verzweifelt, ihre Heimat ist zerstört, ihr Leben ist höchst unsicher. Wir müssen Sympathie mit ihnen haben. Sicher, auch in Deutschland gab es Attacken wie den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, und ein paar wirklich üble Leute reichen aus, um die positive Willkommensstimmung kaputt zu machen. Wenn du jemanden nach Hause einlädst, willst du zu Recht, dass er sich anständig benimmt. Dennoch: Wir brauchen mehr Mitgefühl.

 

Vor zehn Jahren hätten Sie fast im Iran gespielt, Sie treten regelmäßig im Libanon auf. Gehen Sie bewusst in Länder, die von einigen als „böse" angesehen werden? 

de Burgh: Nein, so sehe ich das nicht. Musik kennt kein Gut und kein Böse, keine Rasse, keine Religion, keine Weltanschauung. Aus verschiedenen Gründen kam das Konzert im Iran nicht zustande, aber ich habe noch immer sehr stark den Wunsch, einmal dort zu spielen. Die Iraner sind supernette, tolle Menschen. Und Musik ist Musik, ist nicht nur die internationale Sprache schlechthin, sondern besitzt auch eine unwiderstehliche verbindende Kraft.

INFORMATION


Zur Person

Chris de Burgh, bürgerlich Christopher John Davison, kam 1948 in Argentinien zur Welt. Sein Vater war britischer Diplomat, seine Mutter ist Irin. Nachdem die Familie unter anderem in Zaire und Nigeria gelebt hatte, wuchs er im Familienschloss Bargy Castle im County Wexford im Südosten Irlands auf. 1974 unterschrieb er seinen ersten Plattenvertrag. Seinen größten Hit feierte er 1986 mit der Schnulze „The Lady in Red". Chris de Burgh ist seit 41 Jahren in erster Ehe mit Diane verheiratet, das Paar hat drei Kinder: Hubie, Michael und Rosanna. Letztere wurde 2003 zur „Miss Ireland" und zur „Miss World" gekürt.